Anhebung der Anwaltsgebühren zum 1.1.2021 und Übergangsregelung

Nach 7 Jahren wurden die Anwaltsvergütung und andere Justiz- und Gerichtskosten angehoben. Der Veränderungsbedarf war unabweisbar, doch die Reform blieb in einigen Punkten (dynamische Anpassungen, Dolmetscherhonorare u.a.) hinter Plänen und Forderungen zurück. Was hat sich wie geändert und wie sind Übergangsfälle, also bis Ende 2020 begonnene und 2021 fortgeführte Mandate, abzurechnen?

Die Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren und anderer Justizhonorare war überfällig. Schon seit langem rügen DAV und BRAK, dass die zuletzt im August 2013 erhöhten Gebühren nach dem RVG die deutsche Rechtsanwaltschaft von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt haben. Auch andere Berufe im Justizbereich wie Dolmetscher sind davon betroffen.

Anhebung von RVG- und Gerichtsgebühren, Sachverständigen- und Dolmetscherhonoraren und Schöffen- / Zeugenentschädigungen

Zum 1.1.2021 sind Rechtsanwaltsgebühren, Sachverständigen- und Dolmetscherhonorare, Schöffen- und Zeugenentschädigungen sowie Gerichtsgebühren gestiegen. Dies bewirkte eine lineare Erhöhung der Gebühren des RVG um 10 %, in sozialrechtlichen Angelegenheiten um 20%.

Die Gerichtsgebühren stiegen ebenfalls um 10 %, von den sonstigen Entschädigungen im Justizbereich heißt es, sie wären den marktüblichen Werten bzw. an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst  worden.

Schon länger gab es z.B. das Problem, dass wegen der unter dem Marktüblichen liegenden Honoraren, qualifizierte Dolmetscher bei Gericht Mangelware sind. Nicht selten müssen Laien mit fragwürdigen Sprachkenntnissen müssen als Übersetzer aushelfen, was die Qualität der Rechtsprechung nicht steigert.

Wieder keine dynamischen Gebührenerhöhungen erreicht

Da auch bei dieser Erhöhung / Reform die geforderte dynamische Gebührenanpassung an die allgemeine Lohn- und Wirtschaftsentwicklung ausblieb, der die Länder schon mit Blick auf die Prozesskostenhilfe keinesfalls zugestimmt hätten, bleibt es auch künftig bei den umkämpften, zögerlichen und ruckartigen Anpassungen.

Länder stellten sich zunächst quer, sie drängten wegen Corona-Kosten auf Verschiebung

Zu einer Hängepartie im Gesetzgebungsverfahren kam es,  weil die Länder zurückziehen bzw. verschieben wollten, nachdem der Rechts- und Finanzausschuss des Bundesrats in einer Stellungnahme auf die starken finanziellen Lasten der Länder infolge der Covid-19-Pandemie sowie auf die zu erwartenden erheblichen Steuerausfälle aufmerksam machte. Vor diesem Hintergrund seien erhebliche Vergütungsverbesserungen für bestimmte Berufsgruppen wegen der damit verbundenen erheblichen Mehrbelastungen der Länderhaushalte und auch der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft nicht vertretbar. Er schlug - neben anderen Detailänderungen - eine Änderung des Art. 11 des Gesetzentwurfes dahingehend vor, das Gesetz erst zum 1.1.2023 in Kraft treten zu lassen.

Der DAV reagierte äußerst verärgert und lehnte eine Verschiebung der Gebührenanpassungen entschieden ab. Er hatte mit einem sofortigen Schreiben an die Ministerpräsidenten der Länder interveniert und bestand auf Einführung zum 1.1.2021. Bei den geplanten Erhöhungen gehe es nicht um ein Geschenk für die Anwälte, sondern um die Nachholung längst überfälliger Anpassungen an die allgemeine Einkommens- und Geldwertentwicklung, die dem öffentlichen Dienst kürzlich noch gewährt worden sei.

Erhöhung der Anwalts- und Justizgebühren: Wie sind Übergangsfälle abzurechnen?

Unmittelbar nach dem Inkrafttreten der Reform stellt sich für Rechtsanwälte die Frage, welche Gebührenregelung in Übergangsfällen zur Anwendung kommt. Die ebenfalls reformierte Regelung der Übergangsvorschrift des § 60 RVG regelt detailliert die Behandlung von im Jahr 2020 begonnenen und 2021 fortgeführten Mandaten. Danach gilt:

  • Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist der Zeitpunkt der unbedingten Auftragserteilung in einer Angelegenheit entscheidend, d.h. für bereits im Jahr 2020 erteilte Aufträge gilt die alte Gebührenregelung, auch wenn das Mandat weit ins Jahr 2021 reicht.
  • Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 RVG gilt dies auch für Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse.
  • Gleiches gilt, wenn eine Beiordnung oder Bestellung des Anwalts (z.B. gemäß § 78 b ZPO) vor dem 1.1.2021 wirksam geworden ist, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch kein unbedingtes Mandat erteilt worden war.
  • Anders verhält es sich, wenn die Beiordnung oder Bestellung eine Angelegenheit erfasst, für die der Anwalt erst im Jahr 2021 erstmals tätig wurde bzw. wird; in diesem Fall gilt das neue Gebührenrecht.
  • Auch diese Regelungen gelten für Gebührenansprüche des beigeordneten oder bestellten Anwalts gegen die Staatskasse.

Hinweis: Ein Rechtsmittelverfahren ist nach § 17 Nr. 1 RVG stets eine eigene Angelegenheit und fällt, wenn die Beauftragung zur Vertretung im Rechtsmittelverfahren erst 2021 erfolgt ist, nicht unter die Übergangsregelung des § 60 RVG.

Übergangsregelung zu Anwaltsgebühren: Sonderregelung für zusammengerechnete Werte

Gemäß § 60 Abs. 2 wird die gesamte Vergütung des Anwalts nach altem Recht abgerechnet, wenn Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert mehrerer Gegenstände zu bemessen sind und einer dieser Gegenstände gemäß § 60 Abs. 1 RVG nach altem Recht abzurechnen war.

Wie ist die Gebührenerhöhung gestaltet?

Die Gebührenanpassung im einzelnen erfolgt auf verschiedenen Ebenen: 

Anwaltsgebühren-Erhöhung: Kombination aus struktureller und linearer Anpassung

Mit einigen strukturellen Änderungen sowie der linearen Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren soll den höheren Sachkosten des Anwalts etwa für Kanzleiraummiete, für Bürokommunikationsmaterialien, für Mitarbeitergehälter etc. Rechnung sowie dem allgemeinen Anstieg der Löhne Rechnung getragen werden. Die Tarifverdienste im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich sind seit August 2013 um etwa 18 % gestiegen, die Vergütung der Rechtsanwälte um Null während sich gleichzeitig die laufenden Kosten kontinuierlich erhöht haben.

Keine volle Angleichung der Anwaltsgebühren an die Geldwertentwicklung

Die Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren fällt insgesamt deutlich gemäßigter aus als die allgemeinen Lohnerhöhungen und als von den berufsständischen Organisationen erhofft.

  • Das Gesetz sieht hat eine lineare Gesamterhöhung der Gebühren um ca. 10 % vor (§§ 13 ff RVG in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis),
  • für sozialrechtliche Mandate erfolgt on top eine zusätzliche Erhöhung um weitere 10 %.
  • In den unteren Wertstufen beträgt die Gebührenerhöhung allerdings lediglich etwa 9 %, da in den untersten Wertstufen die Rechtsverfolgungskosten nach Ansicht des BMJVA für die Rechtssuchenden unverhältnismäßig hoch ausfallen.
  • Flankierende strukturelle Veränderungen führen daneben mittelbar zu Gebührensteigerungen insbesondere bei Prozesskostenhilfemandaten sowie in Kindschaftssachen (§ 48 RVG).

Punktuell auch Kürzungen der Anwaltshonorare

In einigen Fällen kann es durch die vorgesehene Reform aber auch zu einer Kürzung der Anwaltsgebühren kommen. Bestes Beispiel ist die neue Wertbemessungsgrundlage bei Mietminderungen. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH Beschluss vom 14.06.2016 - VIII ZR 43/15) wurde der Wert einer Feststellungsklage auf Minderung der Miete bisher gemäß § 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Mietminderung berechnet. Durch eine Änderung des § 41 Abs. 5 GKK darf künftig nur noch der Jahresbetrag der Mietminderung zu Grunde gelegt werden.

KostRÄG: Die Änderungen einzelner Gebühren und Gebührentatbestände

Neben den linearen Erhöhungen um 10 %, die für sämtliche Rechtsgebiete gelten, tragen folgende Einzelregelungen zu einer angemesseneren Honorierung der anwaltlichen Leistungen bei:

  • Zivilrecht

Ausweitung der Einigungsgebühr

Eine durch außergerichtliche Beratung des Anwalts bewirkte Einigung wird durch eine eigenständige Einigungsgebühr honoriert, Vorb.1 VV RVG.

Erweiterung des Anwendungsbereiches der Terminsgebühr

Für die Mitwirkung bei privatschriftlichen Vergleichen und die dadurch erzielte Erledigung eines gerichtlichen Verfahrens fällt unter bestimmten Voraussetzungen eine Terminsgebühr gemäß Nrn. 3104 u. 3106 VV RVG an, obwohl kein gerichtlicher Termin stattgefunden hat. Grund: Anreiz für den Anwalt, einen Termin bei Gericht zu ersparen und damit die Justiz zu entlasten.

Begrenzung der Anrechnung der Mehrfachgeschäftsgebühr

Die Anrechnung der mehrfach angefallenen anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die einheitliche Verfahrensgebühr bei objektiver Klagehäufung wird gemäß neu eingeführten § 15a Abs. 2 RVG begrenzt.

  • Höhere Pauschalen

Die Fahrtkostenpauschale, die Tages- und Abwesenheitsgelder werden angehoben, die Fahrtkostenpauschale von bislang 0,30 Cent je Kilometer auf künftig 0,42 Euro, die Tage- und Abwesenheitsgelder auf 30 Euro, 50 Euro und 80 Euro, Nrn. 7003 ff VV RVG.

  • Änderung der Verfahrenswerte in Kindschaftssachen

Der Regelverfahrenswert in Kindschaftssachen wird nach § 45 Abs. 1 FamGKG von 3.000 auf 4.000 Euro angehoben.

  • Überproportionale Gebührenerhöhung in sozialgerichtlichen Verfahren

Bei sozialrechtlichen Mandaten tritt zu der allgemeinen Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren von 10 % eine zusätzliche lineare zehnprozentige Erhöhung, dass bedeutet eine Erhöhung also um insgesamt 20 % für sozialrechtliche Mandate.

  • Längenzuschlag im Strafrecht

Bei der Bemessung der einheitlichen Terminsgebühr in Strafsachen erhält der Pflichtverteidiger gemäß Vorb. 4.1 Abs. 3 VV RVG für die Teilnahme an Hauptverhandlungstermin mit einer Dauer von mehr als 5-8 Stunden bzw. mehr als 8 Stunden eine zusätzliche Gebühr gemäß Nrn. 4110 ff VV RVG. Außerdem werden die Pausenzeiten künftig berücksichtigt.

Prozesskostenhilfe

Die Wertgebühren, nach denen die beigeordneten Rechtsanwälte*innen aus der Staatskasse bezahlt werden wurden gemäß § 49 RVG schon seit Jahrzehnten durch einen Gegenstandswert von 30.000 Euro gedeckelt. Darüber hinaus gab es keine Gebührensteigerung mehr. Diese Kappungsgrenze wurde nun auf 50.000 Euro angehoben.

Daneben wird die Beiordnung des Rechtsanwalts im Wege der PKH im Fall eines Mehrvergleichs gemäß § 48 Abs. 1 RVG auf alle nicht anhängigen Gegenstände erstreckt. Darüber hinaus stellt § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG nun klar, dass in den Fällen, in denen eine Gebühr (vorgerichtliche Geschäftsgebühr) auf eine Gebühr anzurechnen ist, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, sich der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit vermindert, als der Rechtsanwalt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr insgesamt mehr als den sich aus § 15 a Abs. 1 RVG ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde.

Richter im Gerichtssaal

Anhebung der Gerichtsgebühren

Die Gerichtsgebühren u.a. nach § 34 Gerichts- und NotarkostenG in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis sowie die Gerichtskosten in Familiensachen nach dem FamGKG wurden linear um 10 % angehoben. In Grundbuch- und Nachlasssachen bleibt es allerdings bei den bisherigen Gebühren.

Änderungen des Justizkostenrechts

  • Im Justizkostenrecht wurden die Gerichtsvollziehergebühren für die Räumung unbeweglicher Sachen angepasst  (vereinfachte Berliner Räumung), das bedeutet in diesem Fall eine Verringerung gemäß Nr. 240, 241 zu § 3 GerichtsvollzieherkostenG.
  • Für die Bescheinigung über die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes gibt es eine neue Gerichtsgebühr.
  • Bei gerichtlicher Anordnung einer Betreuung oder Pflegschaft von nur kurzer Dauer (maximal drei Monate) werden die Gerichtsgebühren der Höhe nach auf 50 Euro begrenzt (Anmerkung zu Nr. 11102 ff des Kostenverzeichnisses).
  • Die Grundbuchamtsgebühren für bloße Änderungen des Inhalts von Eintragungen werden gedeckelt.
  • Für bestimmte Verfahren des Landwirtschaftsgerichts wurde eine neue Gerichtsgebühr eingeführt (Anmerkung zu Nr. 15112 des Kostenverzeichnisses).

Viele Forderungen der BRAK und des DAV nicht erfüllt

Die Reform berücksichtigt zwar einige gemeinsame Anregungen des DAV und der BRAK zur Anpassung des RVG aus deren Forderungskatalog von 2018, jedoch fällt die Umsetzung der geforderten Erhöhungen insgesamt deutlich zurückhaltender aus, als von den beiden berufsständischen Organisationen gefordert. Auch deshalb stößt die jetzige Forderung nach einer Verschiebung der Reform in den berufsständischen Organisationen der Anwaltschaft auf keinerlei Verständnis.

BMJV will möglichst niedrige Schwelle für die Bevölkerung zu anwaltlicher Beratung

Das BMJV führt für den eher mäßigen Gebührenanstieg das Interesse der Bevölkerung an nicht zu hohen finanziellen Hürden für den Zugang zu anwaltlicher Beratung und Vertretung an. Enttäuschend ist für DAV und BRAK vor allem die Nichtberücksichtigung des Vorschlags zur automatischen kontinuierlichen Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Vor einigen Jahren hatte die Amtsvorgängerin Katharina Barley der jetzigen Justizministerin Christine Lamprecht einen solchen Automatismus noch befürwortet.

Reform auch in anderen Punkten enttäuschend

Jede einzelne Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren wird daher auch in Zukunft mühsam erkämpft werden müssen. Der Kampf um die jetzt beschlossene Reform hat viele Jahre gedauert. Auch andere Forderungen der Anwaltschaft wurden nicht berücksichtigt, so die geforderte gesonderte Terminsgebühr bei besonders aufwendigen Verhandlungen in Zivilsachen (mehr als drei Verhandlungstage mit jeweils mehr als 2 Stunden Dauer). Auch die geforderte Terminsgebühr für die Tätigkeit in strafrechtlichen Zwischenverfahren ist nicht dabei.

BRAK und DAV: Besser als gar nichts

BRAK und DAV betrachten den Inhalt der Reform als das absolut erforderliche Minimum, aber es sei zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Eine reale Anpassung an die Entwicklung der Löhne und Gehälter in den letzten sieben Jahren enthält die Reform nicht.

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Hintergrund: Letzte Gebührenerhöhung im August 2013

Die letzte Erhöhung der Gebühren erfolgte zum 01.08.2013. Seitdem hat sich die Vergütung der Anwälte nicht mehr geändert. Durch die Lohnentwicklung haben sich allerdings die Kosten der Anwälte beispielsweise für Personal erheblich erhöht. Auch die Mietkosten sowie die Kosten für Energie sind gestiegen. Die Zahl der Kanzleien, die knapp über dem wirtschaftlichen Minimum arbeiten, nimmt nach Angaben des DAV stetig zu. 

Ein ständiges Ärgernis für Anwälte ist, dass festgesetzte Anwaltsvergütungen im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe oder auch in Strafsachen häufig erheblich verspätet von der Staatskasse ausgezahlt werden. 

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