Versagen der Bewährung nach erstmaliger Strafhaft ist besonders zu begründen
Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte einen Angeklagten wegen Körperverletzung und Nötigung in Tateinheit zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten.
- Der Angeklagte legte daraufhin - beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch - Berufung ein,
- woraufhin das Landgericht die Freiheitsstrafe auf 5 Monate herabsetzte.
- Die begehrte Strafaussetzung zur Bewährung wurde dem Angeklagten jedoch versagt.
Die Revision des Angeklagten führte schließlich doch zum Erfolg. Das Kammergericht Berlin hob die Entscheidung insoweit auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.
Warneffekt: Erstmalige Inhaftierung in der Regel besonders abschreckend
Das Kammergericht beanstandete, dass sich das Landgericht bei der Begründung der Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung
- nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt hatte,
- dass es sich bei dem Angeklagten um einen Erstverbüßer
- aufgrund einer anderen Sache handelt,
zumal der Angeklagte die Strafhaft erst nach der abgeurteilten Tat angetreten und hiervon bereits zum Zeitpunkt des Urteils 11 Monate verbüßt hatte.
LG hat nicht geprüft, wie sich die erstmalige Haftstrafe auf den Angeklagte ausgewirkt hat
Aufgrund dieser Umstände habe bereits die Generalstaatsanwaltschaft bemängelt, so das Kammergericht weiter,
- dass die Begründung des Landgerichts vermissen lasse,
- ob und wie die erstmalige Verbüßung der Freiheitsstrafe auf den Angeklagten konkret eingewirkt habe
- und was daraus legalprognostisch zu folgern sei.
Bei einem Erstverbüßer müsse der von der Strafhaft ausgehende Warneffet berücksichtigt werden, welcher im Allgemeinen seine Wirkung nicht verfehle und den Täter dazu befähigt, künftigen Tatanreizen zu widerstehen.
Negative Sozialprognose des Landgerichts nicht ausreichend
Die Kammer habe ihre negative Sozialprognose neben der Tatsache, dass die Vorverurteilungen nicht zu einer Verhaltensänderung des Angeklagten geführt haben, lediglich auf die fehlenden familiären Bindungen und die sehr unsicheren Zukunftsaussichten gestützt, führte das Revisionsgericht weiter aus. Daher sei zu besorgen, dass
„das Landgericht den bei einem Erstverbüßer zu erwartenden Warneffekt zum Nachteil des Angeklagten nicht hinreichend in den Blick genommen habe.“
(KG Berlin, Beschluss v. 28.02.2019, (3) 161 Ss 20/19 (11/19)).
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Hintergrund:
Was heißt günstige Sozialprognose bei der Bewährung?
Ausreichend ist, dass die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens größer ist als diejenige neuer Straftaten.
- Es ist nicht erforderlich, dass eine jeden Zweifel ausschließende Gewissheit,
- eine sichere Gewähr
- oder auch nur ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad straffreien Verhaltens vorliegt (OLG Oldenburg, Urteil vom 20.7.2015, 1 Ss 85/15).
Achtung: Notwendige Urteilsfeststellungen
Will das Gericht die Strafaussetzung verwehren, muss es in ausreichender und erschöpfender Weise darlegen, warum dem Angeklagten keine günstige Sozialprognose gestellt werden kann.
Bei der Abwägung muss es
- sowohl das Vorleben
- als auch die Lebensverhältnisse wie Familie, Beruf und soziale Einordnung,
- aber auch besonders einschneidende Tatfolgen (wie z.B. Verlust des Arbeitsplatzes und Stigmatisierung)
berücksichtigen.
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