Erste Haltestelle: Die Wesentlichkeitsanalyse bei NEW


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Der Weg zum CSRD-Bericht: Die Wesentlichkeitsanalyse

Neue Wege erschließen, darum geht es Fabian Eickstädt. Für das Versorgungsunternehmen NEW-Gruppe bereitet er den ersten CSRD-konformen Nachhaltigkeitsbericht vor. In Zukunft werden wir Eickstädt und NEW dabei begleiten. Heute: Wie machen wir eine Wesentlichkeitsanalyse?

Den Spaß an seiner Aufgabe hat Fabian Eickstädt nicht verloren. Ganz im Gegenteil: „Beruflich gehört das zum Anspruchsvollsten, das ich bisher gemacht habe. CSRD ist eine riesige Herausforderung. Sie gemeinsam mit vielen anderen zu lösen, macht mir ungeheuer Spaß“, sagt der 42-Jährige. Eickstädt ist gelernter Jurist und arbeitet bei der NEW als Stabsabteilungsleiter für Vorstandsangelegenheiten und Nachhaltigkeit. 

Der Weg zum Nachhaltigkeitsbericht ist eine Mammutaufgabe für den Konzern, der aus über zehn Stadtwerken entstanden ist und zu dem sehr unterschiedliche Geschäftsfelder gehören: von Trinkwasserversorgung und Elektrizität über ÖPNV hin zu Schwimmbädern – um nur einige zu nennen. 

Eine Bestandaufnahme: Was NEW bisher macht

Die erste Maßnahme war eine Bestandsaufnahme: „Wir haben uns angesehen, was andere Stadtwerke unserer Größenordnung und was wir selbst schon machen.“ Das war gar nicht wenig: Alle zwei Jahre veröffentlichte die NEW einen Umweltbericht, wobei der Schwerpunkt nicht auf Messung und Quantifizierung lag. 

Seit 2021 verfügt die Trinkwassersparte der NEW über eine treibhausgas-neutrale Trinkwasserproduktion, im gleichen Jahr ermittelte der Konzern seinen ersten CO2-Fußabdruck. Und auch soziale Nachhaltigkeit spielt für die NEW eine große Rolle - passend zu ihrer Tradition als lokaler Energieversorger. 

„Die Zusammenstellung unserer Ist-Situation zeigte, dass wir schon sehr viel machten – auch wenn wir es nicht immer direkt unter dem Titel der Nachhaltigkeit verkauften“, sagt Eickstädt. Gleichzeitig wurden die Herausforderungen deutlich: Der Anteil fossiler Energien im Strommix ist hoch, Erdgas hat einen hohen Anteil am Umsatz der NEW, die Schwimmbäder sind energieintensiv und erfordern den Einsatz von Chemikalien. 

Beim Endkund:innengeschäft (Scope 3) hat die NEW nur begrenzten Einfluss, da die Kund:innen entscheiden, wie sie ihre Wohnung beheizen. Andererseits spielt das Unternehmen in puncto Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie eine wichtige Rolle in einer eher strukturschwachen Region – ein wichtiger Aspekt für das „S“ bei ESG.

Nachhaltigkeit bei NEW: Strategie und Ziele

Auf Basis der Ist-Analyse und zahlreicher Stakeholder:innen-Interviews entwickelte der Konzern eine Nachhaltigkeitsstrategie mit messbaren Zielen. Unterstützt wurde Eickstädt dabei vom 2021 gegründeten „Koordinationskreis Nachhaltigkeit“, dem mehr als 20 Personen aus allen Bereichen des Unternehmens angehören. In Sitzungen des Koordinationskreises und bei einer Strategieklausur der Führungskräfte wurden die Nachhaltigkeitsziele weiter geschärft und priorisiert. Dazu gehören unter anderem: 

  • Die NEW will 2030 in Scope 1 und 2 CO2-neutral sein.
  • Um die Emissionen in Scope 3 zu reduzieren, soll bis 2030 ein nennenswerter Teil des Erdgasgeschäftes im Gebäudebereich durch klimaneutrale und bezahlbare Alternativen wie zum Beispiel Wärmenetze ersetzt werden. 
  • Der ÖPNV mit seinen 250 Bussen soll komplett bis 2030 elektrifiziert werden. Eine Riesen-Kraftanstrengung, schließlich wird auch eine entsprechende Ladeinfrastruktur benötigt, damit die Busse morgens aufgeladen losfahren können. 270 Unternehmens-PKW werden bis Ende des Jahres komplett auf Elektromobilität umgestellt sein. Bei den Transportern bis 3,5 t wird bis Jahresende eine Elektrifizierungsquote von 90 Prozent, bei den Transportern ab 3,5 t eine Quote von 40 Prozent erreicht werden. 
  • Gleichzeitig arbeitet die NEW daran, ihre zahlreichen Liegenschaften bis zum Jahr 2030 zu dekarbonisieren und bilanziell energieautark zu arbeiten. Dafür installiert sie auf allen geeigneten Dächern PV-Anlagen und errichtet gegenwärtig einen Solarcarport auf dem Parkplatz an ihrer Zentrale in Mönchengladbach.

Sowohl die Analyse als auch die Ziele veröffentlichte die NEW 2022 in ihrem ersten Nachhaltigkeitsbericht, verfasst nach den Standards des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Eine ausführliche Darstellung der Nachhaltigkeitsziele finden Sie hier.

Der CSRD-Nachhaltigkeitsbericht als Testlauf

Zum Ende 2023 begannen Eickstädt und der Bereich Controlling bei der NEW die Vorbereitungen für den ersten CSRD-konformen Nachhaltigkeitsbericht. „Gesetzlich verpflichtet sind wir erst zu einem Bericht für das Jahr 2025. Aber wir haben uns dafür entschieden, ein Jahr früher anzufangen. Das wird eine Art Testlauf“, sagt Eickstädt und ist sich sicher, dass das sehr viel Sinn mache: „So einen Bericht anzufertigen, ist doch sehr komplex.“ 

Zusätzlich erschwert wird das durch die Vielfalt der unterschiedlichen Geschäftsfelder des Konzerns. Und damit stand Eickstädt vor einer zentralen Frage: Führt er eine Wesentlichkeitsanalyse für den ganzen Konzern durch? Oder ist dies für jeden Geschäftsbereich separat nötig? Er entschied sich für einen Mittelweg.

Gemeinsam mit dem Koordinationskreis und den Hauptabteilungsleiter:innen analysierten sie in einem zwei-tätigen Workshop die ESG-Aspekte der NEW. Anschließend legte er eine Excel-Tabelle an und bewertete alle angesprochenen Themen in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fachleuten. Am Ende erhielten die Themen auf Basis der Analyse eine Bewertung auf einer Skala von eins bis fünf. Alles über drei galt dann als wesentlich.

Die erarbeiteten Aspekte wurden geclustert und daraus entstand eine Liste mit elf wesentlichen Themen. Sie wurden anschließend mit den quantitativen ESRS-Datenpunkten verknüpft und um firmenspezifische Metriken erweitert. „Wir haben versucht, maximal ehrlich zu sein, die Anforderungen aber so pragmatisch wie möglich umzusetzen“, sagt Eickstädt.

Der Mittelweg zwischen Unternehmensführung und Fachbereichen

Dabei war es ihm wichtig, in den vorhandenen Strukturen zu arbeiten. „Das Ganze ist ja auch ein Kulturthema. Mir war es wichtig, die Prozesse und Analysen in das Bestehende einzubinden. So erreicht man mehr Akzeptanz“, erzählt er. Hilfreich sei auch gewesen, dass er viele Kolleg:innen im Unternehmen kennt und zahlreiche Gespräche führte: „Für solche Gespräche muss Vertrauen da sein – es geht ja auch darum, Probleme und Schwachpunkte offen anzusprechen.“ 

Wichtig sei zudem, den Kolleg:innen die (zusätzliche) Aufgabe so einfach wie möglich zu machen – ohne den bilanzrechtlichen Ernst zu verschweigen. Was ihm besonders half: „Unser Vorstand trägt die Transformation zur Nachhaltigkeit mit. Er fördert und fordert sie. Sonst wäre das nicht zu schaffen.“ 

Diese Mischung aus Analyse auf Konzernebene und Detailgesprächen mit den Expert:innen aus den einzelnen Fachbereichen war für Eickstädt der ideale Mittelweg bei der Wesentlichkeitsanalyse: „In diesem Umfang war es für uns von den Ressourcen her noch machbar. Wir sind so transparent und kleinteilig in der Analyse, dass niemand sagen kann, wir seien nicht sorgfältig gewesen.“ 

Hat die Analyse Unterschiede zur bisherigen Strategie ergeben? „Nicht wirklich. Wir haben aber in manchen Bereichen die Auswirkungen unserer Tätigkeiten klarer definiert“, sagt Eickstädt. Dennoch plädiert er dafür, die Wesentlichkeitsanalyse ergebnisoffen durchzuführen – und nicht ständig auf die bereits bestehende Unternehmensstrategie zu schielen. 

Nach der Wesentlichkeitsanalyse: So geht es bei NEW weiter

Die NEW hat mit der Wesentlichkeitsanalyse, die inzwischen auch durch eine externe Stakeholder:innen-Befragung validiert ist, einen wichtigen Meilenstein geschafft. Am Ziel ist sie damit lange noch nicht angekommen. Die Analyse liegt nun für ein erstes Feedback beim Wirtschaftsprüfer. Parallel richtet der Konzern ein Reporting-Tool ein: Es soll bei der Datenerfassung helfen und dafür sorgen, dass die Daten quer durch den Konzern einheitlich erfasst werden. 

In den kommenden Wochen geht es unter anderem an die Resilienzanalyse, das Setzen von Science Based Targets, die Implementierung der von der ESRS geforderten Sustainability Due Diligence und um das Thema Biodiversität. 

Mehr dazu gibt es in einigen Wochen an dieser Stelle.