Know-how-Transfer in alle Richtungen: Fischer baut ein Wissensnetzwerk


Nachhaltigkeit. Fischer baut ein Wissensnetzwerk

Die Unternehmensgruppe Fischer legt alle zwei Jahre externen Profis sämtliche Nachhaltigkeitsfakten auf den Tisch, um dazuzulernen. Zeitgleich stellt sie im eigenen Nachhaltigkeits-Campus ihr Wissen Dritten zur Verfügung. 

Die Unternehmensgruppe Fischer (Ugf) mit Sitz in Waldachtal im Nordschwarzwald beschäftigt rund 5.900 Mitarbeitende, ist weltweit für seine Fischer-Dübel bekannt und mit Fischertechnik in vielen Kinderzimmern präsent. Wir haben es hier mit einem Paradebeispiel für ein hochgradig innovatives deutsches Familienunternehmen zu tun, bei dem man den Zusatz „Hidden“ vor „Champion“ getrost weglassen kann. 2023 erzielte die Fischer Unternehmensgruppe mit einem Umsatz von 1,16 Milliarden Euro einen Höchststand in der 75-jährigen Firmengeschichte. Wachstumstreiber sind nach wir vor Befestigungssysteme und auch digitale Angebote, zum Beispiel rund um Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken. Die Gruppe betreibt weltweit 52 Gesellschaften und baut gerade – und das ist nur ein Beispiel für die Umtriebigkeit dieses Unternehmens – im südindischen Bengalaru einen IT-Hub auf, um dort Fachkräfte für Softwareentwicklung und KI zu beschäftigen.  

Fischer stellt seine Strategie zur Diskussion 

Das Familienunternehmen setzt seit jeher auf Innovation – und auf Nachhaltigkeit. Die grauen Dübel gibt es zum Beispiel schon seit 2012 auch aus überwiegend nachwachsenden Rohstoffen. Im Jahr 2015 hat das Unternehmen sein Nachhaltigkeitsengagement professionalisiert; es gründete ein eigenes Team, aus Insellösungen und verschiedenen Projekten wurde ein strategisches Engagement. 

Seitdem ist Fischer für seine Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit mit einer ganzen Reihe renommierter Preise und Siegel dekoriert und unter anderem frisch ins Netzwerk der Klimaschutz-Unternehmen aufgenommen. Kurzum: Es agiert vorbildlich, wie in der aktuellen Nachhaltigkeitsbroschüre nachzulesen ist. All das wäre schon einen Artikel wert, hier soll es aber darum gehen, welchen Weg das Unternehmen einschlägt, um seine Nachhaltigkeitsstrategie kontinuierlich zu verbessern, denn: Es stellt sie zur Diskussion.  

Nun ist es so, dass die EU-Regulatorik, insbesondere die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die Einbindung von Stakeholdern in die Nachhaltigkeitsberichterstattung explizit fordert. Unternehmen müssen künftig darlegen können, wie sie mit verschiedenen Stakeholder-Gruppen interagieren. Dabei geht es nicht nur darum, welche Auswirkungen Nachhaltigkeit auf das Unternehmen hat, sondern auch, wie das Unternehmen auf die Umwelt und Gesellschaft wirkt. Fischer erfüllt also eine Anforderung der EU, allerdings tut sie das erstens schon seit 2016 – also lange bevor klar war, dass der Austausch zur Pflicht wird – und zweitens tut es das nicht husch husch per standardisiertem Online-Fragebogen, wie in vielen Unternehmen üblich, sondern mit einem eigenen Veranstaltungsformat: dem „fischer Stakeholder-Dialog“.  

Nachhaltigkeit: Es geht ans Eingemachte 

Seit 2016 lädt Fischer alle zwei Jahre Menschen verschiedener Anspruchsgruppen – Kunden, Händler, Vertriebspartner, Lieferanten, Vertreterinnen und Vertreter regionaler Gemeinden und des Landkreises, von Vereinen, Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, von überregionalen Verbänden, Umweltgruppen und aus der Wissenschaft – ein, um zwei Tage lang gemeinsam mit Führungskräften, Betriebsräten und Mitarbeitenden von Fischer die Nachhaltigkeitsausrichtung des Unternehmens zu diskutieren.

Christian Ziegler, fischer

  

Dabei geht das Unternehmen ans Eingemachte: Auf dem 5. Stakeholder-Dialog im Juli 2024 stellte das Unternehmen die Ergebnisse seiner Wesentlichkeitsanalyse sowie aktuelle Projekte, Maßnahmen und Änderungen rund um seine Nachhaltigkeitsstrategie zur Diskussion. Diesmal mit dabei: 18 Externe, zum Beispiel von BASF, dem VfB Stuttgart, der Landesbank Baden-Württemberg, der Stabstelle Kommunikation und Kreisentwicklung des Landkreises Freudenstadt oder des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg.  

Das erklärte Ziel dieser zwei Tage: die Strategie mithilfe der Perspektiven von außen weiterzuentwickeln. „Wir gewähren sehr, sehr tiefe Einblicke ins Unternehmen“, sagt Christian Ziegler, Bereichsleiter für Nachhaltigkeit, Umwelt und Energie. Das Nachhaltigkeitsteam lade bewusst auch kritische Stakeholder ein, die das Unternehmen mit ihren Ansichten herausfordern, aber eben schlussendlich auch weiterbringen. „Es wird auf Augenhöhe diskutiert.“ 

Die unterschiedlichen Ansichten zusammenzubringen, schafft gegenseitiges Verständnis. (…) Wenn wir nur Personen einladen, die uns auf die Schulter klopfen, bringt uns das gar nichts. 

Christian Ziegler, fischer 

 
Dabei kommen angesichts der Vielfalt der Teilnehmenden eine Menge unterschiedlicher Standpunkte zusammen: Jemand aus dem Umweltbereich setzt andere Schwerpunkte in der Nachhaltigkeit als eine Person aus Bildung und Sozialwesen, eine Vertreterin aus einer Gemeinde oder dem Landratsamt sieht die Sache anders als ein Lieferant. „Das macht den Reiz aus. Die unterschiedlichen Ansichten zusammenzubringen, schafft gegenseitiges Verständnis. Es wird schnell klar, dass es nicht die eine richtige Meinung gibt, sondern dass die Thematik sehr vielschichtig ist, und man aber natürlich trotzdem miteinander diskutieren muss, um die Themen kontinuierlich weiterzuentwickeln. Wenn wir nur Personen einladen, die uns auf die Schulter klopfen, bringt uns das gar nichts. Natürlich gibt es Punkte, bei denen wir mit manchen Stakeholdern nicht zusammenkommen. Aber wir greifen alle Themen auf und setzen uns mit ihnen auseinander“, so Ziegler. 

Offene Nachhaltigkeits-Diskussion mit allen Stakeholdern

Das Schöne an der Veranstaltung sei, dass die Stakeholder vor allem auch untereinander viel diskutieren. „So hat jede Person am Ende nicht nur das Gefühl, mitgewirkt und auf das Ergebnis Einfluss genommen zu haben, sondern profitiert auch selbst von diesem Austausch.“ Alle Beteiligten werden nach der Veranstaltung darüber auf dem Laufenden gehalten, wie die Ergebnisse umgesetzt werden. „Ich kann nur alle dazu ermutigen, ein solches Format zu wählen. Denn damit kommt man den regulatorischen Anforderungen nach und hat zugleich einen wirklich massiven Mehrwert.“ Auch den Stakeholdern – die übrigens für ihre Teilnahme nicht bezahlt werden – scheint der Austausch nützlich zu sein: 95 Prozent derer, die eingeladen werden, sagen zu, kommen zu der Veranstaltung und bitten laut Unternehmensangaben explizit darum, beim nächsten Mal wieder mit dabei sein zu dürfen. 

Fischer macht die anderen schlau 

Fischer holt sich aber nicht nur Expertise von außen – es gibt sie auch an andere Unternehmen weiter: Mit Blick auf das avisierte Ziel 17 der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen – „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele" – gründete das Unternehmen im Jahr 2022 einen eigenen „fischer NachhaltigkeitsCampus“. Hier lautet die Devise: Theorie statt Praxis. „Vor allem Unternehmen, die mit ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten erst jetzt beginnen, stehen angesichts der EU-Regulatorik vor großen Hürden. Der Zugang zum Thema ist extrem schwierig“, sagt Christian Ziegler, der auch den Campus verantwortet. „Viele Anforderungen haben einen hohen Interpretationsspielraum. Je früher ein Unternehmen die Themen aufgreift, umso mehr Möglichkeiten hat es, sie pragmatisch umzusetzen und sich mit diesem Pragmatismus dann auch einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen. Wer zu spät anfängt, ist irgendwann nur noch ein Getriebener, der versucht, allen Pflichten nachzukommen.“  

Hier soll der Campus Abhilfe schaffen und in dreimonatigen Kursen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter externer Unternehmen zu Nachhaltigkeitsmanagern ausbilden. Das soll nicht nur andere befähigen, nachhaltig zu wirtschaften, sondern über kurz oder lang auch zu einem Netzwerk unter allen Beteiligten führen, das wiederum dafür sorgt, dass alle gemeinsam in puncto Nachhaltigkeit immer besser werden. So profitiert Fischer von diesem Engagement am Ende auch selbst. 

Nachhaltigkeitsmanagerinnen fürs eigene und fremde Unternehmen

Im ersten Jahrgang war der Zulauf überschaubar. Seit Sommer kooperiert der Campus mit dem Start-up BegaMo, das eine Software-unterstützte Lösung für Nachhaltigkeitsmanagement bietet, die es ermöglichen soll, binnen drei Monaten richtig zu starten. Seitdem zieht die Nachfrage an.  

Das Unternehmen betreibt seinen Campus nicht mit Gewinnerzielungsabsicht. „Wir berichten von unseren Erfahrungen, damit die anderen schon mal ein Fundament haben, auf dem sie aufbauen können. Wir wollen damit nichts verdienen, sondern ganz pragmatisch darüber berichten, wie man anfängt und worauf man achten sollte“, so Ziegler. Mit 1.200 Euro Teilnahmegebühr ist der Kurs am Campus tatsächlich im Vergleich zu ähnlichen Weiterbildungsangeboten ein Schnäppchen.  

Wir berichten von unseren Erfahrungen, damit die anderen schon mal ein Fundament haben, auf dem sie aufbauen können. Wir wollen damit nichts verdienen, sondern ganz pragmatisch darüber berichten, wie man anfängt und worauf man achten sollte.

Christian Ziegler, fischer

Während die Weiterbildung Dritter ausdrücklich nicht zum Geschäftsmodell zählt, tut es die Nachhaltigkeit um so mehr, und das nicht nur aus moralischen Beweggründen: War früher das Trio Preis, Qualität und Lieferfähigkeit für die Auftragsvergabe ausschlaggebend, kommen heute Anforderungen an Arbeitssicherheit, Umwelt und Nachhaltigkeit hinzu. Wer auch in diesen Punkten tadellos liefern kann, genießt ganz klar einen Wettbewerbsvorteil. Der Aufbau des Wissensnetzwerk lohnt sich also auf alle Fälle. Für alle.