Low-Tech-Immobilien: Bauen, Sanieren, Kosten sparen
Der minimale Einsatz von Technik und ein möglichst geringer Ressourcenverbrauch über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie – wo die aktuellen Mittel bei der Sanierung und im Neubau nicht ausreichen, um die Klimaschutzziele zu erreichen, soll Low Tech die ideale Lösung sein. So könnte einfacher, zirkulärer und mit weniger Technik gebaut werden.
Die Revitalisierung von denkmalgeschützten Bestandsimmobilien zeigt, dass auch mit Low Tech die Standards des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfüllt werden können. Bei Gewerbeimmobilien wären mit diesem Ansatz Flächenzuwächse und höhere Erträge für möglich und im Bereich Wohnen könnten bis 95 Prozent der grauen Energie und 40 Prozent der CO2-Emmissionen eingespart werden
Das sind die zentralen Ergebnisse der Pressekonferenz "Low Tech – Ansatz, Praxisbeispiele und Nutzungsmöglichen", an der Prof. Thomas Auer, Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen an der Technischen Universität (TU) München, Konstantin von Abercron, Geschäftsführer von Ehret+Klein, und Gerd Hansen, Gründer und Co-Geschäftsführer von Archy Nova, teilgenommen haben.
Energieverbräuche: Performance Gap im Schnitt bei 70 Prozent
"Mit den Mitteln und Standards, die wir heute bei der Sanierung und im Neubau anwenden, können wir weder die gewünschte Energieeffizienz noch die gewünschten Komfortparameter in Immobilien erreichen", führte Auer. Die wenigsten Gebäude funktionierten, wie sie sollen. "Die theoretischen Einsparwerte bei Klima und Lüftung werden in der Realität durch den Einsatz maximaler Technik meist nicht erreicht."
So liegt der durchschnittliche Performance Gap – also die Differenz zwischen errechneten und realen Energieverbräuchen – laut einer Studie der TU Braunschweig aus dem Jahr 2007 bei rund 70 Prozent. Die natürlich belüfteten Gewerbeimmobilien waren außerdem im Schnitt 30 Prozent energieeffizienter als die maschinell gelüfteten Gebäude, obwohl das Gegenteil zu erwarten gewesen wäre.
Energieeffizienz durch passive Lüftung und Kühlung
Die Universität Aarhus (Dänemark) untersuchte 130.000 Einfamilienhäuser (in Dänemark) und kam zu dem Ergebnis, dass auch im Wohnimmobilienbereich die realen Energieverbräuche in den Energieklassen A bis G drastisch von den errechneten Werten abweichen. Laut einer Studie des Royal Institute of Britisch Architects (London, UK) funktionierten 95 Prozent von knapp 60.000 Schulgebäude in Europa hinsichtlich der intendierten Energieeffizienz nicht wie geplant.
Aktuelle Forschungsobjekte der TU München für neue und ältere Gebäude zeigen nach Angaben von Auer, dass Komfort und Energieeffizienz auch durch eine passive Lüftung und Kühlung und einen minimalen Technikeinsatz erzielt werden können: "Hier ist der Performance Gap gleich Null." Um die Klimaschutzziele zu erreichen, schlägt der Wissenschaftler vor, einfacher und zirkulärer zu bauen und hochkomplexe Lüftungssysteme und unzugängliche technische Systeme zu vermeiden.
Low Tech: Möglichkeiten für denkmalgeschützte Immobilien
Low Tech eignet sich im Gewerbeimmobilienbereich insbesondere für die Revitalisierung und Konversion von Bestandsobjekten und denkmalgeschützten Immobilien. "Gerade der Denkmalschutz gibt diesem Ansatz viel mehr Möglichkeiten, von den umfangreichen geltenden Vorgaben in Deutschland abzuweichen", fügte von Abercron hinzu.
Er beobachtet, dass Investoren und Nutzer Low Tech im ersten Schritt wohlwollend gegenüberstehen, aber im zweiten Schritt oft Bedenken äußern. "Weil weniger Technik und geringere Wartungskosten nicht adäquat in den Marktwert eingepreist werden können, entscheiden sich viele Gewerbeimmobilieneigentümer dann häufig gegen diesen Ansatz", so der Ehret-Klein-Geschäftsführer. Langfristiger und nachhaltiger ausgerichtete Investorengruppen wie etwa Family Offices dagegen finden demnach Low-Tech-Immobilien häufig sehr attraktiv.
Die Vorteile sieht er in den niedrigeren Betriebs- und Wartungskosten, einer geringeren Schadensanfälligkeit, deutlich weniger Kosten für die technische Gebäudeausrüstung (TGA) und einem kleineren CO2-Fußabruck. "Je kleiner der Technikeinsatz, desto kleiner die sogenannte zweite Miete", sagte von Abercron. Ein häufig unterschätzter Aspekt sei der mit Low Tech verbundene Flächenzuwachs und damit höhere Ertrag bei Gewerbeimmobilien. Das Unternehmen hat mit dem Ansatz schon verschiedene Gewerbeimmobilien revitalisiert, darunter das Maschinenhaus Schwabing in München. Die größten Herausforderungen ergaben sich durch Bauvorschriften, einer eingeschränkten Automatisierung und Individualisierung sowie die Akzeptanz der Mieter.
CO2-Fußabdruck: Einsparpotenzial von Low Tech
Laut Hansen vom Projektentwickler und Bauträger Archy Nova ist das Einsparpotenzial von Low Tech dramatisch: Bis zu 95 Prozent graue Energie, 40 Prozent weniger CO2-Emissionen und viel weniger Bauzeit, rechnete er vor. Und: "Im Vergleich zum konventionellen Bauen fallen 60 Prozent der Aufwendungen für TGA und Elektrik weg." Auch im späteren Betrieb seien die Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Reparaturen bei Low Tech-Wohnimmobilien bis zu 75 Prozent geringer, ohne Abstriche bei Komfort oder Aufenthaltsqualität für die Bewohner.
Archy Nova verfolgt seit der Gründung im Jahr 1984 einen ökologisch-sozialen Ansatz und hat seitdem einige Wohnprojekte bundesweit entwickelt. Ein aktuelles Projekt ist das "we house Baakenhafen" in der Hamburger HafenCity mit 80 Wohneinheiten, bei dem der Baustart bald erfolgen soll. "Wir versuchen alles, was nicht notwendig ist, wegzulassen: Technik, Leitungen, Kabel, Zähler und zum Beispiel auch Wasserleitungen im Boden", erklärte Hansen. Was für Low Tech notwendig ist, sind eine starke Gebäudehülle, eine wassersparende Ausstattung und Warmwasserkollektoren, Decken aus CO2-reduzierten Beton und eine minimale Haustechnik: Statt auf Fußbodenheizungen und Wärmepumpen setzt das Unternehmen Photovoltaik und effiziente Direktstromheizungen.
Die Hindernisse für den ressourcenschonenden Wohnbau seien in Deutschland größer denn je: aus dem Ruder gelaufene Standards, ein fehlendes Know-how der Genehmigungsbehörden und eine starke Orientierung an technischen Maximalstandards, schloss Hansen. "Wenn wir mehr Wohnraum – und zwar schneller und mit weniger CO2 – bauen wollen, müssen wir dringend das GEG, zahlreiche Förderrichtlinien und Vorschiften Förderkulisse reformieren. Die Politik und Bauwirtschaft in Deutschland müssen ganzheitlicher denken."
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