Wie die WoWi sich bettet, so liegt sie
Was bisher geschah: Aareon hat im wohnungswirtschaftlichen Markt ein vielfältiges IT-Angebot geschaffen und ist mit cleverer M&A-Strategie auch anorganisch stark gewachsen – zuletzt durch die Übernahme von Haufe-Lexware Real Estate (HLRE). Seit dem ersten Teilverkauf im Oktober 2020 hat die Aareal Bank ihre IT-Tochter gezielt fit gemacht für den Kapitalmarkt. Durch Aareon Connect ist das Unternehmen Plattform-Anbieter und Gatekeeper geworden und verdient darüber mit der Wohnungswirtschaft (WoWi) und angeschlossenen PropTechs zusätzlich sehr gut.
Mit dem Verkauf von Aareon ist jetzt der erste große Private-Equity-Einstieg für ein immobilienwirtschaftliches Tech-Unternehmen gelungen. Generell ist das ein sehr gutes Signal für die zunehmende Attraktivität des Technologiesektors bei Investoren – und für die Alteigentümer Aareal Bank und Advent International eine Erfolgsstory wie aus dem Bilderbuch.
Technologie: Strategievakuum im WoWi-Management
Eigentlich gäbe es also wenig zu bedauern. Allerdings betrifft die Entwicklung mit der Wohnungswirtschaft eine Branche, die einem großen Tech-Player strukturell wenig entgegenzusetzen und gleichzeitig einen sehr relevanten sozialen Auftrag hat. Eine ungute Mischung!
Ist dem betroffenen Kundenkreis in der Wohnungswirtschaft klar, was der Verkauf von Aareon für sie bedeuten kann? Bereiten sie sich darauf vor? Wird diskutiert, ob die quasi Monopolstellung eines Anbieters tragbar ist? Stellt sich die Branche neu auf, um auf die Situation zu reagieren? Leider: nein.
In den Managementetagen der WoWi herrscht oft ein Strategievakuum im Umgang mit Technologie. Und leider ist das symptomatisch für große Teile der Immobilienwirtschaft. Dabei ist es für jede Branche äußerst ungesund, sich kein Gegengewicht zu Anbietern zu schaffen, die technische Infrastruktur liefern.
ERP-System: Offene Flanken für Aareon-Kunden
Insbesondere das ERP-System darf mit Recht als kritische Infrastruktur gelten: Als Herzstück der Unternehmens-IT sind im ERP-System alle Organe, alle Lösungen – von Buchhaltung bis PropTech – angeschlossen, fließen alle Daten dort ein und werden alle KPIs zur Steuerung des Unternehmens dort entnommen. Welche "offenen Flanken" ergeben sich daraus für Aareon-Kunden?
Wer das Game analysiert, sieht wiederkehrende Muster: Private Equity (PE) fließt in Firmen, die in kurzer Zeit maximal im Wert gesteigert werden, um sie anschließend mit maximaler Rendite zu veräußern – häufig an weitere PE'ler, die das Spiel fortsetzen.
Profit wird über drei Haupt-Bausteine generiert:
- Einsparungen von Kosten und Personal
- Umsatzsteigerungen durch massive, für den Markt vorher unrealistisch erscheinende Preiserhöhungen
- Harter Fokus auf Renditesteigerung durch Effizienz, meist durch Einschränkungen im Service und Konsolidierung im Produktangebot
Aareon-Alternativen: Was also tun – schnell kündigen?
GdW-Präsident Gedaschko eröffnete vorige Woche den Wohnzukunftstag in Berlin mit den Worten "Wohnungswirtschaft und Digitalisierung ist manchmal so´n bisschen fremdschämen". Scham ist leider nutzlos – Sorge vermutlich berechtigt: Es bleibt abzuwarten, ob und welche der üblichen Post-Exit-Probleme auftreten. Man darf aber sicher davon ausgehen, dass die vor Exit kommunizierten ehrgeizigen Wachstumsziele von Aareon von den neuen Eigentümern offensiv verfolgt werden: von 100 Millionen Euro im Jahr 2023 auf angestrebte 170 Millionen Euro bereinigter EBITDA im Jahr 2024.
Was also tun – schnell kündigen? Von CREM Solutions iX-Haus, Dr. Klein Wowiport, SAP und Microsoft gibt es Alternativen, doch ein Wechsel braucht viel Zeit, kostet ebenfalls Geld und bedarf intern entsprechender Kompetenzen. Kurz: Auch wenn höhere Preise, verringerter Servicelevel oder Migration auf größere Produktlinien drohen, viele Unternehmen bleiben vermutlich Aareon-Kunden mangels besserer Alternative.
Situation wie diese sind vermeidbar. Die "grauen Herren" der Wohnungswirtschaft hätten sich längst zusammenschließen können. Andere Branchen starten gemeinschaftliche Investmentvehikel, um Know-how zu bündeln und Innovationen zu finanzieren (Beispiel: Hypoport).
Wohnungswirtschaft: Zeit für angemessene Digitalbudgets
Branchen können Technologien strategisch entwickeln, steuern und Monopole verhindern. Die knapp 2.000 Genossenschaften und anderen WoWi-Unternehmen müssten sich schon längst nicht mehr auszeichnen durch Abwesenheit digitaler Kompetenz, ignorierter Notwendigkeit von prozessualer, systemischer und kultureller Transformation und der Einschätzung von Technologie als "Gedöns". Technologie ist systemrelevant. Diese Erkenntnis reift hoffentlich nun ohne teuren Lernprozess.
Es ist höchste Zeit für angemessene Digitalbudgets, personelle (Neu)Besetzung, zielführendes Innovationsmanagement und strategische Investitionen in Technologie. Dafür werden sich Strukturen ändern müssen, auch Satzungen neu gefasst werden. Sicher ist, dass zur Einhaltung des genossenschaftlich-treuhänderischen WoWi-Auftrags genau das überfällig ist. Aber die Wohnungswirtschaft wird immer nur so gut liegen, wie sie sich zuvor gebettet hat!
Wohnen ist eben keine rein renditeorientierte Assetklasse; Wohnen ist für unser soziales Gefüge von besonderer Relevanz. Daher kann man der WoWi aktuell nur wünschen, dass sie zeitnah zu einer proaktiven Haltung im Umgang mit relevanten Tech-Partnern findet und so die operative Leistungsfähigkeit hoffentlich erhalten und deutlich steigern kann.
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