Entgelttransparenz macht Fortschritte
Seit Anfang 2018 haben Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 200 Angestellten nach dem Entgelttransparenzgesetz Anspruch darauf, Informationen über die Vergütung von Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit zu erhalten. Was langsam anlief, nimmt nun etwas mehr Fahrt auf: Während 2018 nur 17 Prozent der deutschen Unternehmen standardisierte Auskunftsanfragen eingeführt hatten, sind es nun 38 Prozent. Hier wird auch, zusätzlich zu diesen fest definierten Prozessen, regelmäßig die Entgeltgleichheit mithilfe von Reporting und Monitoring geprüft.
Entgelttransparenz: Gehaltsüberprüfung nach Geschlecht und Herkunft
78 Prozent der befragten Unternehmen haben ihre Gehaltsstrukturen nach Geschlecht überprüft. Untersuchungen nach ethnischer Herkunft und Nationalität führten allerdings bisher nur neun Prozent durch. Das sind die zentralen Ergebnisse der "Fair Pay Studie", für die Willis Towers Watson in Kooperation mit dem Fair Pay Innovation Lab 79 Unternehmen in Deutschland mit insgesamt zwei Millionen Beschäftigten befragt hat.
Auskunftsanfragen sind trotz Entgelttransparenzgesetz noch selten
"Individuelle Auskunftsanfragen sind weiterhin selten. Noch immer geben 40 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihre Mitarbeitenden keine Anfragen gestellt haben", sagt Florian Frank, Head of Talent & Rewards Deutschland und Österreich bei Willis Towers Watson. "Interessant ist auch, dass lediglich ein Drittel der befragten Unternehmen konkrete Maßnahmen bei Gehaltserhöhungen und Boni ergreift."
Es sei wichtig, dass die Betriebe sich jetzt fragen: Woher kommen die Vergütungsunterschiede und was sind die Ursachen dafür? Es gelte, Fair Pay auf Basis von umfassenden Analysen und mithilfe einer offenen Kommunikation ganzheitlich im Unternehmen zu integrieren. (Lesen Sie hier im Interview mit Florian Frank, warum Fair Pay einen umfassenden Kulturwandel in der Vergütung braucht.)
"Immerhin ist Fair Pay inzwischen in gut der Hälfte der befragten Unternehmen Thema. Das ist eine erfreuliche Entwicklung", sagt Henrike von Platen, CEO und Gründerin des Fair Pay Innovation Lab. "Nachholbedarf gibt es bei der konkreten Umsetzung. Wenn den Worten nun auch Taten folgen, sind wir auf einem sehr guten Weg."
Deutschland hat im internationalen Vergleich noch Nachholbedarf
Der Blick ins restliche Europa zeigt: Analysen finden dort wesentlich häufiger statt. "Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland also weiterhin hinterher", sagt Frank. Zwar liegt das auch an einer anderen Rechtslage in diesen Ländern – die Analysen müssen häufig im Geschäftsbericht offengelegt werden, der gesetzliche Druck ist also höher.
In Deutschland sei aber auch ein genereller Haltungswechsel nötig. "Der Zwang, erst durch ein Gesetz gleichberechtigte Bezahlung zu ermöglichen, wäre nicht nötig, wenn Unternehmen verstehen, dass sie von fairer Entlohnung genauso profitieren wie ihre Mitarbeitenden." Die Vorteile von Fair Pay lägen schließlich auf der Hand: Es erhöhe das Engagement der Mitarbeitenden, nutze vorhandene Potenziale im Unternehmen besser, fördere das Arbeitgeber-Image, reduziere die Fluktuation und erleichtere das Recruiting von Talenten.
Mehr Maßnahmen im Recruiting und bei der Personalentwicklung
40 Prozent der deutschen Unternehmen analysieren ihr Gehaltsgefüge eher qualitativ in Einstellungs- und Beförderungsprozessen. Sie nehmen dabei nicht nur aktuelle Gehälter in den Blick, sondern auch Einstiegsgehälter, Grundgehaltserhöhungen und Beförderungsquoten. Hier sind insbesondere Frauen sowohl als Potenzialträgerinnen und noch mehr als Führungskräfte unterrepräsentiert: Lediglich 28 Prozent der Führungspositionen sind von Frauen besetzt. "Bei Fair Pay geht es immer auch um Chancengleichheit. Wenn Unternehmen schon im Recruiting den Fokus klar auf Gleichstellung legen, klappt es später auch mit den Frauen in Führung", sagt von Platen.
Zwei Drittel der befragen Unternehmen suchen im Recruiting nach Möglichkeiten, Gleichstellung zu fördern, etwa in Hinblick auf die Anteile von Männern und Frauen an Bewerbungen, genderneutrale Bewerbungsgespräche und Einstellungen oder die Qualifikation der Interviewenden.
Neun von zehn Unternehmen nutzen genderneutrale Formulierungen
So verwenden 91 Prozent der befragten Unternehmen genderneutrale Formulierungen, und auch in Leistungsbeurteilungen achten über 75 Prozent auf ausgeglichene Sprache (lesen Sie hier mehr zu Diskriminierung in Stellenanzeigen). 62 Prozent bieten Unconscious-Bias-Trainings für Rekrutierende an. Ein Fünftel der Unternehmen hat zudem in die Gestaltung des Performance Managements und der Beförderungsprozesse eingegriffen, um Fairness sicherzustellen. Im Vergleich zu 2018 werden beispielsweise Förderprogramme immer beliebter: Vier Fünftel haben diese bereits eingeführt. Aber auch Coaching, Mentoring und die Schaffung geeigneter Netzwerke werden von der deutlichen Mehrheit der Unternehmen mittlerweile unterstützt.
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