Wie ein Technologiekonzern junge Menschen für Führung begeistert
Heute muss ich es mir neidlos eingestehen: Ich bin Teil der Generation X. Mit inzwischen mehr als 25 Jahren Berufserfahrung, und davon 17 in Führung, bin ich längst kein Führungsfrischling mehr. Wenn ich jedoch an die Anfänge meines Berufslebens zurückdenke, dann stand Führung damals nicht auf meiner Wunschliste. Im Gegenteil. Im Angesicht der Notwendigkeit, für mein eigenes Leben aufzukommen und mit einer großen Neugier auf das Abenteuer Job, bin ich ins Arbeitsleben gestartet, ohne eine genaue Vorstellung davon, wie meine Karrierelaufbahn aussehen könnte. Schnell habe ich auf meinem Weg Erfahrungen gesammelt, die man heute als Frühindikatoren für eine Führungslaufbahn deuten würde.
Angefangen bei der Mitarbeit in Projektteams über erste eigene, kleine Projekte bis hin zur Projektleitung. Kurze Zeit und einen Auslandsaufenthalt später kam er schließlich: der Sprung ins kalte Führungswasser. Einen Masterplan hatte ich auf diesem Weg nicht. Mein Antrieb ist und war, Themen und Projekte nicht bloß zu verwalten, sondern aktiv zu gestalten und so zu einem guten Ergebnis zu führen.
Führungskräfteentwicklung statt "learning by doing"
In meinen ersten Monaten als Führungskraft habe ich vermutlich sämtliche Fettnäpfchen und Fehler mitgenommen. Woher sollte ich auch wissen, worauf es in meiner neuen Position wirklich ankam, was gute Führung ausmacht? Ich war von meinem Arbeitgeber nicht gezielt auf die neue Aufgabe vorbereitet worden. Und von Mentoring-Programmen hatten damals die wenigsten gehört. Zu dieser Zeit galt oft die Devise: Wenn du jetzt schon mehr Geld verdienst, musst du auch lernen, dir selbst zu helfen. Dieses "learning by doing" war zwar lehrreich, aber auch unglaublich mühsam ohne entsprechende Begleitung.
Fast zwei Jahrzehnte später weiß ich, dass es unbedingt notwendig ist, Kolleginnen und Kollegen auf Führungsaufgaben umfangreich vorzubereiten und sie mit dem passenden Rüstzeug auszustatten. Und obwohl die meisten Unternehmen das heute genauso leben und strukturierte Entwicklungsprogramme anbieten, ist die Angst vorm "Alleingelassen werden" einer der Hauptgründe – vor allem für junge Menschen – sich gegen Führung zu entscheiden.
Führung zwischen Motivation und Effizienzsteigerung
Heute stehen so viele Generationen gleichzeitig im Arbeitsleben wie nie zuvor. Zusammen mit einer multidimensionalen VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) macht das Führungsrollen, egal auf welchem Level, zur Königsdisziplin. Eine Sache hat sich allerdings nicht geändert: eine Führungskraft ist verantwortlich für die Leistung des zugehörigen Teams. Sie muss sicherstellen, dass das Team eine Einheit bildet und in der Lage ist, seine volle Leistung aufs Parkett zu bringen. Daran ändert auch New Work nichts. Ganz im Gegenteil. Heute ist Leistung noch viel umfassender messbar, auch im Sinne einer Vorhersage für die sogenannte "Future Performance".
Führung bedeutet – ganz allgemein gesprochen – das Steuern einer Personengruppe im Sinne eines gemeinsamen Ziels, wodurch entsprechende, geführte Personen motiviert und die Effizienz erhöht werden sollen. Beim ersten Punkt sind sich noch viele einig: Ja, ich motiviere gern Menschen. Beim Punkt Effizienz hört die Faszination dann aber schnell auf. Schließlich steckt dahinter eine Leistung, die im Wettbewerb gemessen werden muss. Das ist der Bereich, in dem es potenziell zu Enttäuschungen und Reibungen im Team kommen kann und die Führungskraft ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen muss. Das schreckt ab.
Auch der öffentliche Diskurs zum Thema Führung sorgt für Unentschlossenheit beim Nachwuchs. Wenn junge Menschen die Risiken und Nebenwirkungen von Führung noch nicht selbst erlebt haben und sämtliche Studien und auch Social-Media-Plattformen diskutieren, dass Führung vor allem anstrengend ist, wundert es mich nicht, dass sich heute so wenige Talente dafür entscheiden. Da überzeugen in Zeiten von Remote Work und Generationengerechtigkeit auch keine angestaubten Benefits wie ein eigenes Eckbüro oder ein dicker Dienstwagen. Selbst neue Führungsmodelle wie beispielsweise geteilte Führung im Tandem sind für viele uninteressant.
Führung als Job mit "Purpose"
Wie kann es also gelingen, den jüngeren Generationen, die jetzt im Berufsleben durchstarten, Appetit auf Führung zu machen? Ein großer Hebel ist die Sinnhaftigkeit des Jobs. Eben dieser "Purpose" wird neben dem Unternehmenszweck ganz entscheidend auch durch die Unternehmenskultur geprägt.
"Was zeichnet die Unternehmenskultur bei Körber aus?" Das ist auch mit Abstand die häufigste Frage, die ich in Vorstellungsgesprächen gestellt bekomme. Vor allem von jungen Talenten. Das bestätigt mich in meiner Meinung, dass Kultur die "Corporate Currency", also die Währung, der Zukunft ist. Ich bin überzeugt: Sie bildet das Fundament für den Unternehmenserfolg. Unternehmen, die nicht darin investieren, bleiben langfristig auf der Strecke. Nicht nur, wenn es darum geht, neue Talente zu gewinnen, sondern insbesondere auch, um den Nachwuchs in Führung zu bringen.
Führungskräfte im Kontext der Unternehmenskultur
Als Technologiekonzern und Innovationstreiber sehe ich Körber hier besonders in der Verantwortung. Schließlich erhöht eine starke Kultur die Innovationskraft eines Unternehmens um 60 Prozent (Gallup 2022). Unsere Culture Journey hat im Jahr 2022 begonnen und ist noch lange nicht zu Ende. Wir konnten allerdings schon wertvolle Etappenziele verzeichnen: Als internationaler Konzern mit mehr als 100 Standorten weltweit und bis 2020 über 40 Einzelmarken war ein gemeinsames Kulturverständnis immer eine große Herausforderung. Das hat sich mittlerweile gewandelt, nicht nur durch die Entscheidung, Körber zu einer selbstbewussten Dachmarke zu machen und durch ein ganzheitliches Markenerlebnis das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken. In Workshops mit über 500 Mitarbeitern haben wir den Kern unserer gemeinsamen, konzernumspannenden Kultur identifiziert, und in unserer Culture Coach Academy bereits die ersten Kollegen zu Kulturbotschaftern ausgebildet. So arbeiten wir intensiv an den Fragestellungen: Was macht die Körber-Kultur im Detail aus? Wie befähigen wir die Organisation diese Kultur auch zu leben – geschäftsfeld-, gender- und generationsübergreifend? Und welche Rolle spielt in diesem Kontext das Thema Führung?
Denn eins ist unstrittig: Führungskräfte nehmen in diesem Prozess eine Vorbildfunktion ein. Daher haben wir auch unsere Führungsprinzipien komplett überarbeitet und mit dem Leadership Guidebook eine Führungsfibel mit praktischen Antworten für unsere Leadership Teams entwickelt. Um beim Nachwuchs die Lust zu wecken, Teil dieses Kosmos zu werden, bieten wir dreistufige Leadership Camps an, die angehende oder neue Führungskräfte optimal auf diese Aufgabe vorbereiten. Auch fördern wir den kollegialen Austausch zwischen Mitarbeitern, die an unterschiedlichen Punkten in ihrer Karriere stehen. In unserem Mentoringprogramm unter dem Motto "We celebrate diverse perspectives" matchen wir Mentoren und Mentees möglichst vielfältig – zum Beispiel nach Hintergrund, Standort oder Geschlecht –, um maximale (Reverse-)Mentoring Effekte zu erzielen. Das stärkt ganz nebenbei auch unseren Culture Core "Vertrauen und Zusammenarbeit".
Talentförderung beginnt im Kindergarten
Als MINT-Unternehmen ist es für uns vor allem eine Herausforderung, gerade junge Frauen für Führungspositionen zu begeistern beziehungsweise zu besetzen. Körber kommt aus dem Maschinen- und Anlagenbau, hier sind nach wie vor viele Berufsbilder vertreten, die früher eher von Männern dominiert wurden. Der Nachwuchs-Pool ist entsprechend klein. Das möchten wir ändern.
Talentförderung für MINT kann meiner Meinung nach nicht früh genug starten, sollte im Grunde im Kindergarten beginnen, um gesellschaftliche Sichtweisen und Prägungen nachhaltig zu verändern. Wir unterstützen beispielsweise Initiativen wie Empower Girl, um mehr weibliche Talente für MINT zu begeistern. Auch für unsere Ausbildungsberufe und dualen Studiengänge möchten wir noch mehr Frauen gewinnen. In allen Nachwuchsprogrammen setzen wir auf einen überproportionalen Anteil an weiblichen Talenten, um eine adäquate Entwicklungschance zu bieten.
Frauen zu Führung ermutigen
Zudem trauen sich viele junge weibliche Talente den Sprung in die Führung nicht zu. Da braucht es oft eine andere Ansprache und mehr Überzeugung im Recruiting. Und auch die bereits erwähnte gute und engmaschige Vorbereitung auf die Führungsaufgabe. Gerade Frauen möchte ich dazu ermutigen, der eigenen Laufbahn eine Priorität zu geben, und nicht allein dem Partner oder der Partnerin zu folgen. Dafür braucht es Vorbilder. Die Förderung weiblicher Role Models in Unternehmen muss unbedingt vorankommen und ist aus meiner Sicht eine Notwendigkeit, um mehr Frauen in Führung zu bringen. Bei Körber können wir uns glücklich schätzen, dass wir ab Herbst dieses Jahres erstmals zwei internationale Führungsfrauen als Mitglieder des Konzernvorstands gewinnen konnten. Eine wichtige Signalwirkung.
In Summe möchte ich festhalten: Zur Förderung von Führungslust gehören vielfältige Parameter. Gesellschaftliche, unternehmerische, (inter-)kulturelle. Und die ganz persönliche Leistungsbereitschaft für die Extrameile an Lernen, Gestaltung und Verantwortung. Auf Unternehmensseite ist die richtige Auswahl, Begleitung und schlussendlich die Unternehmenskultur entscheidend. Denn diese Währung ist für das Gewinnen und Halten von jungen Talenten besonders ausschlaggebend.
Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 8/2024. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.
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