Machen Frauen Unternehmen erfolgreicher?
Die Diskussion um Frauen in Führungspositionen gewinnt wieder an Fahrt. Bundesfamilienministerin Katharina Barley verweist auf Erfolge bei der Umsetzung gesetzlicher Quoten in Aufsichtsräten, in denen ein Frauenanteil von 27,3 Prozent zu verzeichnen ist. Demgegenüber zeige sich im Vorstandsbereich, der nicht durch verbindliche Quoten reguliert ist, kaum eine Veränderung (Maas, 2017). So sind in Deutschland nur etwa elf Prozent aller Vorstandspositionen in den größten börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt (vgl. EIGE). Geht man über Deutschland hinaus, so wurden insgesamt zwischen 2008 und 2015 in 32 Ländern Frauenquoten und andere Maßnahmen zur Diversität in Vorständen und/oder Aufsichtsräten eingeführt (vgl. Adams, 2016). Parallel zur politischen Diskussion wurde eine Vielzahl an empirischen Studien zum Zusammenhang zwischen Frauen in Führungspositionen und dem Unternehmenserfolg veröffentlicht, die inzwischen metaanalytisch aggregiert wurden.
Wir haben in dieser Rubrik zwar bereits zuvor ähnliche Themen beleuchtet, wie zum Beispiel geschlechterspezifische Unterschiede im Führungsverhalten oder Diversität in Teams. Wegen der politischen und wissenschaftlichen Aktualität möchten wir die Ergebnisse zum Zusammenhang von Frauen in Führungspositionen und dem Unternehmenserfolg dennoch näher vorstellen. Wir gehen zunächst auf das Beispiel Norwegen ein und konzentrieren uns dann insbesondere auf die Metastudien von Post und Byron (2015) sowie Hoobler et al. (2016). Die empirischen Resultate sind gemischt, weshalb wir anschließend auf die methodischen Probleme eingehen möchten, die Praktiker bei der Interpretation beachten müssen.
Welchen Einfluss könnte das Geschlecht der Führungskräfte auf den Unternehmenserfolg haben?
Der grundlegende Ansatz der empirischen Forschung ist die Upper Echelon Theorie (Hambrick/Mason, 1984). Zentrale Annahme hierbei ist, dass die Erfahrungen, Werte und die Persönlichkeit der Top-Führungskräfte einen wesentlichen Einfluss auf strategische Entscheidungen und somit den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen haben. Da sich diese Faktoren nicht unmittelbar beobachten lassen, arbeitet die empirische Forschung mit beobachtbaren Variablen wie Geschlecht, Alter oder Ausbildungshintergrund, bei denen eine Korrelation mit den nicht beobachtbaren Faktoren unterstellt wird. Frauen könnten entsprechend andere Erfahrungen, Werte und Persönlichkeiten haben als Männer, was auf den Unternehmenserfolg wirken könnte. Etwas genauer gehen Hoobler et al. (2016) auf verschiedene theoretische Erklärungsansätze ein. Sie argumentieren, dass erstens durch Frauen in Führungspositionen ein positives Klima im Unternehmen entsteht ("gender supportive climate"). Im ganzen Unternehmen können Frauen durch dieses positive Klima ihre Perspektiven besser einbringen. Zweitens argumentieren sie, dass Frauen durch ihre spezifischen Stile zum Beispiel bei Führung und Entscheidungsfindung den Unternehmenserfolg beeinflussen können ("women’s unique contributions"). Hier ist es also nicht das Klima, sondern die ganz eigenen Perspektiven und Fähigkeiten der Frauen werden genutzt, wodurch zum Beispiel ein Wettbewerbsvorteil durch die bessere Nutzung interner Ressourcen generiert werden kann und auch die Legitimität gegenüber externen Stakeholdern erhöht wird. Im Folgenden zeigen wir empirische Befunde, die zunächst mit dem direkten Zusammenhang zwischen Geschlecht und Unternehmenserfolg starten und dann etwas differenzierter den Kontext berücksichtigen.
Das Beispiel Norwegen: Welche Wirkung hatte die Einführung der Frauenquote?
In Norwegen wurde 2005 eine Frauenquote von 40 Prozent für die Verwaltungsräte aller börsennotierten Unternehmen eingeführt. Viele Forscher sahen in dieser Einführung ein Feldexperiment, über das die Folgen von erhöhter Diversität in der obersten Führungsetage untersucht werden kann. Entsprechend liegen inzwischen verschiedene Studien vor, die sich anhand dieses Beispiels den Einfluss erhöhter Diversität auf die Unternehmensleistung anschauen. Eine erste wichtige Studie wurde hierzu von Ahern und Dittmar (2012) veröffentlicht, die einen negativen Einfluss des höheren Frauenanteils auf die Unternehmens-Performance (gemessen über Tobin’s Q, ähnlich der Marktwert-Buchwert-Relation) konstatieren. Sie stellen aber klar heraus, dass dieser Effekt vermutlich nicht über das Geschlecht der Führungskräfte, sondern eher über die als Folge der schnell umzusetzenden Frauenquote jüngeren und weniger erfahrenen Führungskräfte zu erklären sei. Ebenfalls einen negativen Einfluss finden Matsa und Miller (2013), die allerdings als Grund Strategieänderungen in den Unternehmen in den Vordergrund rücken, indem sie zeigen, dass von der Frauenquote betroffene Unternehmen weniger Mitarbeiter entlassen und stärker steigende Arbeitskosten haben als Unternehmen in der Vergleichsgruppe. Bøhren und Staubo (2016) finden ebenfalls einen negativen Zusammenhang zwischen Einführung der Frauenquote in Norwegen und Unternehmensleistung, führen dies aber eher auf die dadurch gestiegene Anzahl unabhängiger Mitglieder in den betroffenen Aufsichtsgremien zurück. Gerade Frauen waren "independent directors", also Mitglieder, die nur über ihre Funktion im Aufsichtsgremium mit dem Unternehmen verbunden, nicht aber gleichzeitig zum Beispiel Vorstandsmitglied waren, was letztlich zu einer verringerten Unternehmensleistung geführt haben könnte.
Die bisherigen Ergebnisse zeigen keinen positiven Effekt der Frauenquote auf die Unternehmensleistung. Allerdings konnten verschiedene Mechanismen zur Erklärung negativer Folgen identifiziert werden. Ein Einfluss von Geschlecht oder Geschlechterdiversität im Top-Managementteam auf die Unternehmensleistung lässt sich also nicht direkt bestätigen, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden.
Frauen und Unternehmenserfolg: Der direkte Effekt in Metaanalysen
Post und Byron (2015) fassten insgesamt 140 Studien zum Zusammenhang von Frauen in Vorstandspositionen und Unternehmensleistung zusammen. Insgesamt sind die von ihnen berichteten Effekte sehr klein, tendenziell aber positiv. So liegt der durchschnittliche Zusammenhang zwischen dem Anteil von Frauen in der Unternehmensleitung und der finanziellen Performance bei r = 0,034 (siehe Abbildung 1).
Folgt man der gängigen Klassifikation verschiedener Effektstärken mit r = 0,10 für einen kleinen, r = 0,30 für einen mittleren und r = 0,50 für einen starken Effekt, so mag dieser Effekt zwar statistische Signifikanz erreichen, substanziell ist er dagegen nicht.
Eine weitere Metaanalyse von Hoobler und Kollegen (2016) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Insgesamt 78 Studien werden von den Autoren zusammengefasst, die Effektstärken deuten ebenfalls auf einen leicht positiven Zusammenhang zwischen Frauenanteil und Unternehmensleistung hin, den die Autoren als sehr klein beschreiben (r = 0,023). Allerdings reagieren die Ergebnisse sehr sensitiv auf die Operationalisierung der Variablen. So wird der Effekt zum Beispiel (insignifikant) negativ, wenn als unabhängige Variable das Geschlecht des CEOs herangezogen wird. Die Metastudien beruhen weitgehend auf Einzelstudien, die in den letzten Jahren, das heißt nach Beginn der politischen Diskussion und Intervention, veröffentlicht wurden. Wenn auch kein substanzieller positiver Effekt nachweisbar ist, so lässt sich zumindest auch kein Argument für den negativen Einfluss ableiten. Hoobler et al. (2016) weisen zurecht darauf hin, dass es auch keinen positiven Business Case für Männer in Führungspositionen gibt und auch niemand danach fragt.
Auf Basis solcher und ähnlicher Befunde bildete sich im Bereich der Wissenschaft früh die Meinung heraus, dass sich ein direkter positiver Effekt auf den Unternehmenserfolg nicht nachweisen lässt. Daan van Knippenberg und Michaéla Schippers (2007, S. 518) prägten hierzu den Begriff "bankruptcy of the main effects" und fordern differenzierte Analysen, unter welchen Bedingungen und über welche Prozesse Frauen positiv oder negativ auf den Unternehmenserfolg wirken können.
Wann und wie wirken Frauen positiv? Moderatoren und Mediatoren
Durch die Vielzahl an Einzelstudien ist es zudem möglich, Einflussfaktoren zu identifizieren, die den positiven Einfluss von Frauen verstärken. Hoobler et al. (2016) lenken den Blick darüber hinaus auf Faktoren, welche auf die Stärke dieses Zusammenhangs wirken könnten. So zeigt sich, dass der Effekt in Kulturen stärker positiv ist, in denen die Rollen weniger geschlechterspezifisch sind ("gender egalitarian cultures"). Ähnliche Effektstärken erreichen auch Zusammenhänge zwischen Frauenanteil und Vorstandsaktivitäten, die in der Meta-Analyse von Post und Byron (2015) untersucht wurden. Es zeigen sich kleine positive Zusammenhänge mit Monitoring-Aktivitäten und dem Ausmaß, in dem die Vorstände in die Strategieentwicklung involviert waren (r = 0,054 bzw. 0,093). Demgegenüber lässt sich ein Einfluss der Größe des Leitungsgremiums oder der Sitzungsfrequenz nicht nachweisen. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft eine Vielzahl weiterer Einzelstudien veröffentlicht wird, die die Bedeutung von Kontextfaktoren herausstellen. Deshalb wollen wir abschließend auf die methodischen Probleme eingehen.
Worauf Praktiker bei der Interpretation von Studien achten müssen
Erste in der Praxis bekannte Untersuchungen stammten häufig von Beratungsunternehmen, die den "Business Case von Diversity", das heißt den positiven Einfluss von (Geschlechter-)Heterogenität auf den Unternehmenserfolg nachweisen wollen (vgl. dazu exemplarisch McKinsey, 2007, oder Catalyst, 2004). Diese stellen den Frauenanteil in Führungspositionen mittels Korrelationsanalysen mit finanziellen Erfolgsgrößen in Beziehung, wobei sich in der Regel ein positiver Zusammenhang zeigt. Die in der Praxis häufig gezogene kausale Schlussfolgerung, das heißt den Frauenanteil als Ursache für den höheren Unternehmenserfolg anzunehmen, ist allerdings falsch. Wie die gewählte Methodik der Datenauswertung das Ergebnis beeinflusst, zeigt Renée B. Adams (2016). Er verwendet Daten von 1.500 börsennotierten US-Unternehmen im Zeitraum 1996-2003. Abhängige Variable ist die Eigenkapitalrentabilität (ROE). Für die Datenanalyse verwendet er unterschiedliche Verfahren (siehe Abbildung 2). Zunächst untersucht er den Zusammenhang mithilfe einer linearen Regression und repliziert die Ergebnisse der oben zitierten Studie von Catalyst: Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist signifikant und hoch korreliert mit dem Unternehmenserfolg. Um den Einfluss von Drittvariablen, die sowohl den Frauenanteil als auch den Unternehmenserfolg beeinflussen, zu kontrollieren, verwendet er eine Regression, in der für Branche und Unternehmensgröße kontrolliert wird. Der ursprüngliche Zusammenhang wird dadurch insignifikant, das heißt die Korrelation beruht auf dem sogenannten "omitted variable problem" und darf nicht kausal interpretiert werden.
Adams geht allerdings noch weiter. Er untersucht den isolierten Einfluss der Frauen mithilfe eines Firm-Fixed-Effect-Modells. Dabei werden alle, das heißt auch die nicht beobachtbaren Eigenschaften der Unternehmen konstant gehalten und untersucht, wie eine isolierte Veränderung des Frauenanteils den Unternehmenserfolg beeinflusst. Dabei zeigt sich ein signifikant negativer Effekt. Diese Korrekturen machen deutlich, wie stark das Ergebnis von einer methodisch sauberen Untersuchung abhängt. Praktiker sollten deshalb bei der Interpretation empirischer Studien genau beachten, welche Korrekturen und Verfahren eingesetzt wurden, damit die Ergebnisse sinnvoll für das eigene Unternehmen interpretiert werden können.
Fazit
- Einfache Korrelationsanalysen erlauben keine Schlussfolgerung für die Praxis zum kausalen Einfluss von Frauen in Führungspositionen auf den Unternehmenserfolg.
- Neue Metaanalysen zeigen einen sehr schwachen positiven Zusammenhang zwischen dem Frauenanteil in der Unternehmensführung und finanziellen Erfolgsgrößen.
- Der positive oder negative Effekt hängt weitgehend von Kontextfaktoren ab, die bislang eher auf theoretischer denn auf empirischer Basis bewertet werden können.
Literaturverzeichnis:
Adams, R. B. (2016): Women on boards: The superheroes of tomorrow? The Leadership Quarterly, 27(3), 371-386.
Ahern, K. R./Dittmar, A. K. (2012): The changing of the boards: The impact on firm valuation of mandated female board representation. The Quarterly Journal of Economics, 127(1), 137-197.
Bøhren, Ø./Staubo, S. (2016): Mandatory gender balance and board independence. European Financial Management, 22(1), 3-30.
Catalyst (2004): The Bottom Line: Connecting Corporate Performance and Gender Diversity. https://www.catalyst.org/system/files/The_Bottom_Line_Connecting_Corporate_Performance_and_Gender_Diversity.pdf (Abfruf: 19.08.2017)
European Institute for gender Equality (o.J.): Gender statistics database: Largest listed companies: CEOs, executives and non-executives (https://eige.europa.eu/gender-statistics/dgs/browse/wmidm) (Abruf 23.08.2017)
Hambrick, D. C./Mason, P. A. (1984): Upper echelons: The organization as a reflection of its top managers. Academy of Management Review, 9(2), 193-206.
Hoobler, J. M./Masterson, C. R./Nkomo, S. M./Michel, E. J. (2016): The business case for women leaders: Meta-analysis, research critique, and path forward. Journal of Management (online first).
Maas, S. (2017): Frauenquote in Vorständen. https://www.deutschlandfunk.de/frauenquote-in-vorstaenden-70-prozent-der-unternehmen-100.html
Matsa, D. A./Miller, A. R. (2013): A female style in corporate leadership? Evidence from quotas. American Economic Journal. Applied Economics, 5(3), 136.
McKinsey (2007): Women matter. https://www.mckinsey.de/files/Women_Matter_1_brochure.pdf (Abruf 19.08.2017)
Post, C./Byron, K. (2015): Women on boards and firm financial performance: A meta-analysis. Academy of Management Journal, 58(5), 1546-1571.
Van Knippenberg, D./Schippers, M. C. (2007): Work group diversity. Annual Review of Psychology, 58, 515-541.
Erschienen im Wissenschaftsjournal PERSONALquarterly 4/2017.
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