Ist der Sturz eines Arbeitnehmers bei einem Firmenlauf ein Arbeitsunfall?
Eine Frau nahm mit 80 Kolleginnen und Kollegen an einem Firmenlauf teil, stürzte während des Laufes und erlitt eine Fraktur des rechten Handgelenks. Der Arbeitgeber hatte die Veranstaltung intern beworben und genehmigt, Trikots gestellt und die Startgebühr bezahlt. Stand dieser Sturz und seine Folgen als Arbeitsunfall dem Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung?
Berufsgenossenschaft sieht keine Betriebsveranstaltung
Die Berufsgenossenschaft hatte es abgelehnt, für den entstandenen Schaden aufzukommen. Begründung: Es habe sich nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt, weil die Befriedigung sportlicher Interessen im Vordergrund gestanden hätten. Die Veranstaltung sei auch als Deutsche Firmenlaufmeisterschaft ausgeschrieben gewesen. Zudem sei eine Veranstaltung, an der prinzipiell jedermann teilnehmen könne, nicht geeignet das Gemeinschaftsgefühl von Betriebsangehörigen zu stärken.
Auch das Sozialgericht Dortmund entschied, dass es sich bei dem Sturz um keinen Arbeitsunfall gehandelt habe, denn die Läuferin sei zum Zeitpunkt des Unfalls nicht als Beschäftigte i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert gewesen, weil der Unfall sich nicht bei Ausübung ihrer Beschäftigung der Klägerin ereignet. Ebenso wenig habe sich der Unfall bei einer Aktivität ereignet, die mit der Beschäftigung in einem engen rechtlichen Zusammenhang stehe.
Warum ein Firmenlauf, anders als Betriebssport, nicht in engem Zusammenhang mit der Beschäftigung steht
Einer der Tatbestände, die in Rechtsprechung und Literatur als in engem Zusammenhang mit der Beschäftigung als solcher stehend anerkannt sind, besteht in der Durchführung von Betriebssport. Betriebssport müsse allerdings Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter besitzen und diesen Ausgleichszweck durch Regelmäßigkeit anstreben.
Im vorliegenden Fall habe es sich dagegen um ein nur einmal jährlich stattfindendes Ereignis gehandelt, das zumindest auch einen Wettkampf darstellte. Der Umstand, dass die Teilnehmer aus dem Betrieb der Läuferin für dieses Ereignis gemeinschaftlich trainiert hätten, ändere nichts an der Einschätzung, da das Training nicht regelmäßig und nur über einen unwesentlichen Zeitraum hin stattgefunden habe.
Wieso ein Firmenlauf keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ist
Bei der Teilnahme an dem Lauf handelte es sich auch nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, die ebenfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hätte. Für das Vorliegen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung maßgebend sei das vom Arbeitgeber verfolgte Ziel, mit der Veranstaltung die Betriebsgemeinschaft zu fördern. Die Zurechnung zur versicherten Beschäftigung erfolgt, weil der Beschäftigte wegen seiner Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers, durch seine freiwillige, aber vom Arbeitgeber erwünschte und erbetene Teilnahme das erklärte Unternehmensinteresse unterstütze, durch die Gemeinschaftsveranstaltung den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung zu fördern (vgl. BSG, Urteil v. 22.09.2009, B 2 U 27/08).
Veranstaltung stand auch vielen anderen Unternehmen und Mitarbeitern offen
Diesen Tatbestand sah das Gericht im vorliegenden Fall als nicht erfüllt an. Zwar habe der Arbeitgeber der Klägerin die Teilnahme seiner Mitarbeiter durch Fördermaßnahmen unterstützt. Allerdings habe es sich nicht um eine Veranstaltung des Arbeitgebers gehandelt. Die Veranstaltung mit anschließendem gemütlichem Beisammensein habe vielmehr auch vielen anderen Firmen und deren Mitarbeitern offen gestanden.
In diesem Zusammenhang wies das Gericht darauf hin, dass es im Falle einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung generell unschädlich sei, wenn diese an ein externes Unternehmen organisatorisch ausgelagert werde.
Im vorliegenden Fall aber sei die Veranstaltung von einem externen Unternehmen für eine Vielzahl von Unternehmen und deren Beschäftigte organisiert worden. Es habe sich um eine Großveranstaltung gehandelt, bei der die Klägerin und ihre Kollegen und Kolleginnen weniger als ein Prozent der Teilnehmerschaft stellten.
Teilnahmequote von 8 % zu wenig für Förderung des betrieblichen Zusammenhalts
Auch die Förderung des betrieblichen Zusammenhalts konnte das Gericht bei einer Teilnahmequote von acht Prozent – das Unternehmen hatte 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von den 80 teilnahmen – nicht nachvollziehen. Das Gericht konnte lediglich erkennen, dass durch die Veranstaltung eine gewisse Zusammengehörigkeit derjenigen gefördert wurde, die sich dem Laufen verschrieben hatten. Diese Gruppe stelle indes keine Beschäftigungsgruppe dar, sondern eine durch ein gemeinsames Hobby verbundene Gruppe.
(SG Dortmund, Urteil v. 04.02.2020, S 17 U 237/18).
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Hintergrund: Wann besteht für eine betriebliche Veranstaltung Versicherungsschutz?
Die Einordnung einer betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung als versicherte Tätigkeit ist an enge Voraussetzungen geknüpft:
- Die Veranstaltung müsse vom Arbeitgeber selbst bzw. von einem Dritten in dessen Auftrag durchgeführt werden.
- Es müsse die Teilnahme aller Angehörigen des Betriebs oder zumindest einer Abteilung erwünscht sein, um so die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern.
- Die Themen Freizeit, Unterhaltung oder Erholung dürften nicht im Vordergrund stehen, damit ein betrieblicher Zusammenhang bestehe.
Arbeitsunfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Sie werden auch als Berufsunfälle bzw. Werksunfälle oder Betriebsunfälle bezeichnet. Bei Unfallereignissen muss ein Bezug zu einer Tätigkeit gegeben sein, die unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht (versicherte Tätigkeit). Anderenfalls (z. B. bei privaten Freizeit-, Sport- oder Verkehrsunfällen) handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall, für den ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig ist.
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