Künftig strengere Regeln für die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit
Die beschlossenen Verschärfungen betreffen neben Dschihadisten und Polygamisten auch Personen, die sich ihre Einbürgerung mit unrichtigen Angaben erschlichen haben. Diesen Personengruppen soll der deutsche Pass künftig entzogen werden können. Ferner soll die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit künftig generell von der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse abhängig gemacht werden. Der Gesetzentwurf gehörte ursprünglich in das Gesetzespaket zur Migration, das der Bundestag bereits Anfang Juni verabschiedet hat, wurde dann aber ausgegliedert.
Neue Verlustregelung
Durch eine neu in § 28 StAG eingeführte Verlustregelung sollen
- Deutsche, denen eine konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen für eine Terrormiliz im Ausland nachgewiesen wird
- und die damit eine Abwendung von grundlegenden Werten Deutschlands
- und eine Zuwendung zu einer anderen ausländischen Macht in Gestalt einer Terrormiliz zum Ausdruck gebracht haben,
- die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, wenn sie noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzen.
- Der Verlust der Staatsangehörigkeit ist bei minderjährigen Deutschen ausgeschlossen, § 28 Abs. 2 Nr. 1 StAG-E.
Legaldefinition der Terrormiliz
Der Begriff Terrormiliz wird in § 28 Abs. 3 StAG-E definiert als
- paramilitärisch organisierter bewaffneter Verband,
- der hinsichtlich seiner Größenordnung sowie seines operativen und territorialen Wirkens das Ziel verfolgt,
- in völkerrechtswidriger Weise die Strukturen eines ausländischen Staates gewaltsam zu beseitigen.
Mit dieser Formulierung sollen völkerrechtlich gerechtfertigte Befreiungsbewegungen oder revolutionäre Kräfte, die sich gegen völkerrechtswidrige Regime richten, ausgenommen werden. Ausdrücklich erwähnt in der Gesetzesbegründung werden in diesem Kontext kurdische Rebellenverbände in Syrien.
Verlust der Staatsangehörigkeit tritt von Gesetzes wegen ein
Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 StAG-E soll in konkreten Fällen das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit durch einen deklaratorischen Akt festgestellt werden, der Verlust der Staatsangehörigkeit selbst tritt kraft Gesetzes ein.
Verfassungsrechtliche Aspekte
Die verfassungsrechtliche Problematik der Neuregelung folgt aus Art. 16 Abs. 1 GG.
- Gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG darf die deutsche Staatsangehörigkeit grundsätzlich nur dann entzogen werden, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.
- Außerdem darf der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit sich nicht als Entziehung Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG darstellen, sondern muss nach der Rechtsprechung des BVerfG als „sonstiger Verlust der Staatsangehörigkeit“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG eingeordnet werden können,
- denn laut BverfG ist jede Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus unzulässig.
- Eine solche unzulässige Beeinträchtigung liegt laut BVerfG dann vor, wenn der Betroffene den Verlust nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann (BVerfG, Urteil v. 24.5.2006, 2 BvR 669/04).
Keine Rückwirkung des Gesetzes
Diese Rechtsprechung führt in ihrer Konsequenz dazu, dass sogenannter Rückkehrer, die in der Vergangenheit als IS-Kämpfer agiert haben und nach Deutschland zurückkehren wollen, nicht in den Geltungsbereich der neuen Regelung einbezogen werden können, da sie rückwirkend ihre Beteiligung an Kämpfen nicht mehr beeinflussen können. Diese fehlende Rückwirkung des Gesetzes ist denn auch einer der Hauptkritikpunkte der Opposition.
Verlust der akzessorischen Unionsbürgerschaft
Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit kann zugleich zum Verlust der akzessorischen Unionsbürgerschaft führen (Art. 20 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union), wenn der Betroffene keine weitere EU-Staatsangehörigkeit besitzt. Dies ist gemäß Art. 7 Absatz 1 d, Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit vom 6.11.1997 zulässig, da ein Beibehalten der Staatsangehörigkeit von Angehörigen von Kämpfern von Terrormilizen wesentlichen Interessen des Vertragsstaates in schwerwiegender Weise abträglich ist. Auch nach EU-Regeln ist Voraussetzung, dass der Betroffene nicht staatenlos wird.
Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse
Mit der Neuregelung ist die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse künftig Voraussetzung für jeden Einbürgerungsantrag. Der Begriff der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse zielt auf die Identifikation des Betroffenen mit dem deutschen Gemeinwesen ab. Hierzu zählt insbesondere auch der Grundsatz der monogamen Ehe, die in der Bundesrepublik verfassungsrechtlich verankert ist. Bei einer Mehr- oder Vielehe wird damit zukünftig der Antrag auf Einbürgerung scheitern.
Vielehe hinderte Einbürgerung bisher nicht
Grund der Neuregelung ist ein Urteil des BVerwG vom Mai 2018. Darin hatten die Verwaltungsrichter geurteilt, dass der Antrag eines Syrers auf Einbürgerung nicht daran scheitern darf, dass er mit zwei Ehefrauen zusammenlebt, denn die Einbürgerung nach § 10 StAG setze im Gegensatz zur Einbürgerung nach § 9 StAG keine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse voraus.
- Gemäß § 10 StAG kann eingebürgert werden, wer seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und sich grundsätzlich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennt.
- Nach dem Urteil der Verwaltungsrichter schließt die Vielehe das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht aus,
- auch wenn diese Lebensform zeige, dass der Betroffene die in Deutschland geltenden allgemeinen Wertvorstellungen noch nicht hinreichend adaptiert habe.
- Da § 10 StAG eine Einordnung in die deutschen Wertvorstellungen nicht voraussetze, dürfe allein an dem Bestehen einer Vielehe eine Einbürgerung nicht scheitern (BVerwG, Urteil v. 29.5. 2018, 1 C 15.17).
Künftig ist die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse Voraussetzung auch für die Einbürgerung nach § 10 StAG.
Durch Täuschung erschlichene Einbürgerungen können rückgängig gemacht werden
Eine Einbürgerung, die der Betroffene durch falsche Angaben erschlichen hat, kann künftig zurückgenommen werden. Dies war grundsätzlich auch bisher schon möglich, allerdings nur innerhalb einer Frist von maximal fünf Jahren. Künftig wird diese Frist auf zehn Jahre verlängert. Für einige Personengruppen wird damit die Einbürgerung in Zukunft deutlich erschwert.
Inkrafttreten
Bereits am 28.6.2019 hat der Bundesrat sich mit der Reform befasst und dem Gesetzentwurf zugestimmt. Das Gesetz soll kurzfristig in Kraft treten.
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