Wann ist ein Sturz im Treppenhaus (k)ein Arbeitsunfall?

Muss die gesetzliche Unfallversicherung zahlen, wenn Selbstständige sich auf der Treppe ihres auch als Betriebsstätte genutzten Wohnhauses verletzen? Das LSG Baden-Württemberg sah in dem Unfall einer selbstständigen Werbetexterin keinen Arbeitsunfall. Wie so häufig beim Thema Arbeitsunfall ein Haarspalter-Urteil.

Der Versicherungsschutz für einen Arbeitsunfall ist deutlich besser, als er es bei einem privaten Unfall wäre. Entsprechend heiß umkämpft ist oft die Frage: Arbeitsunfall ja oder nein?

Freiwillig gesetzlich versichert und unfreiwillig im Treppenhaus gestürzt

Eine freiwillig gesetzlich versicherte, selbstständige Werbetexterin und Journalistin stürzt auf der Treppe ihres Wohnhauses, in dem sie auch ihrer selbstständigen Tätigkeit nachgeht. Prellungen von Handgelenk und Lendenwirbelsäule sowie ein Bruch eines Mittelfußknochens führten zu einer Arbeitsunfähigkeit von rund sechs Wochen.

Grundsätzlicher Versicherungsschutz

Die gesetzliche Unfallversicherung weigerte sich, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Ein kniffeliger Fall.

  • Unstreitig ist, dass, wenn sich die Wohnung des Versicherten und die Arbeitsstätte in einem Haus befinden,
  • Unfälle auf Wegen in den zur Arbeitsstätte gehörenden Betriebsräumen grundsätzlich unter Versicherungsschutz stehen.

Betriebliche oder private Tätigkeit entscheidend

Schwierig ist regelmäßig die Zuordnung einer Tätigkeit zum privaten oder betrieblichen Bereich. Nach ständiger Rechtsprechung ist die

  • Handlungstendenz des Versicherten
  • zum Zeitpunkt des Unfalls entscheidend.

Das LSG Baden-Württemberg sah in dem Sturz keinen Arbeitsunfall und ging von folgendem Ablauf aus. Die Klägerin hatte sich am Unfalltag in ihrem häuslichen Arbeitszimmer aufgehalten und war ihrer beruflichen Tätigkeit nachgegangen, als sie das Auto eines Paketdienstes auf der Wendeplatte vor ihrem Haus sah.

Paket enthielt Kaffeekapseln und kein Büromaterial

Als der Postbote klingelte, begab sie sich vom ersten Stock ins Erdgeschoss. Auf der Treppe kam sie ins Straucheln und stürzte. Als sie die Haustür erreichte, war der Postbote bereits wieder weg.

  • In dem Paket befand sich nicht das von der Klägerin erwartete Büromaterial,
  • sondern Kaffee-Kapseln für eine überwiegend privat genutzte Kaffeemaschine.

Das Vorbringen der Klägerin, sie habe sich auf den Weg zur Haustür mit der Vorstellung und dem Willen gemacht, eine Lieferung Büromaterial entgegen zu nehmen, wird durch die erwiesenen Begleitumstände nicht bestätigt.

Objektive Handlungstendenz entscheidend

Zur Feststellung der objektiven Handlungstendenz kommt es gerade nicht auf die subjektive Vorstellung des Versicherten an, sondern auf die objektiven Umstände des Einzelfalls.

Die Klägerin konnte nach Einschätzung des Gerichts nicht wissen, ob der Postdienst das bestellte Büromaterial, die Kaffeekapseln oder vielleicht auch nur ein für den Nachbarn bestimmtes Paket abgeben wollte.

Der Weg zur Haustür ist deshalb von der Klägerin nicht mit wesentlich betrieblicher Handlungstendenz zurückgelegt worden. Vielmehr habe die private Handlungstendenz klar überwogen.

Treppe dient nicht wesentlich dem Zweck des Unternehmens

Dazu kommt, dass die Treppe nicht wesentlich den Zwecken des Unternehmens der Klägerin dient. Schließlich habe diese die Treppe mehrmals täglich benutzt, um im privat genutzten Bereich des Erdgeschosses privaten Dingen nachzugehen: Frühstücken, Katze füttern, Mittag- und Abendessen einnehmen etc.

Keine ständige betriebliche Nutzung der Treppe

Eine ständige, nicht nur gelegentliche betriebliche Nutzung der Treppe sah das Gericht deshalb nicht. Deshalb handelt es sich bei dem Unfall auch nicht um einen Arbeitsunfall und die gesetzliche Unfallversicherung muss nicht zahlen.

(LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 09.02.2015, L 1 U 1882/14).

Vgl. zum Thema Arbeitsunfall auch:

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