Reduzierung des Unterhalts bei zeitintensivem Umgangsrecht
Der Kindesvater und die Kindesmutter streiten nach rechtskräftig durchgeführter Scheidung um die Höhe des vom Kindesvater zu leistenden Kindesunterhalts. Hinsichtlich der Betreuung des Kindes hatten die Parteien vereinbart, dass das gemeinsame Kind sich in einem zweiwöchigen Rhythmus von Freitag bis Sonntag und darüber hinaus wöchentlich an zwei weiteren Tagen bei dem Antragsgegner aufhalten soll, im übrigen bei der Mutter.
Wechselmodell mit etwa gleichen Betreuungsanteilen
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hatte zunächst die Kindesmutter den Antragsgegner auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen, nach rechtskräftiger Scheidung hat das Kind, vertreten durch die Kindesmutter, den Eintritt ins Verfahren erklärt. Die Parteien streiten darüber, ob die von ihnen praktizierte Betreuung einem Wechselmodell mit etwa gleichen Betreuungsanteilen entspricht. Das Amtsgericht (AG) hat den Kindesvater zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts verurteilt, das Oberlandesgericht (OLG) hat den zu zahlenden Unterhalt auf 115 % des Mindestunterhalt reduziert . Der Kindesvater verfolgte sein Begehren, den Unterhaltsantrag vollständig abzuweisen, bis zum Bundesgerichtshof (BGH).
Die Unterhaltsanträge sind zulässig
Der BGH befasste sich zunächst mit der Zulässigkeit der gestellten Anträge. Gemäß § 1629 Abs. 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge derjenige, in dessen Obhut sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gesetzlich vertreten. Der BGH stellte klar, dass diese Voraussetzungen seitens der Kindesmutter gegeben waren. Ein Kind befindet sich nach der gesetzlichen Vorstellung in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt. Dieser Schwerpunkt sei trotz des nicht unerheblichen Umfangs des den Kindesvater eingeräumten Umgangsrechts eindeutig bei der Mutter zu sehen (BGH, Urteil v. 21.12.2005, XII ZR 126/03).
Zum Barunterhalt ist in der Regel nur ein Elternteil verpflichtet
In materiellrechtlicher Hinsicht stellte der BGH auf § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ab. Hiernach erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges gemeinsames Kind betreut, seine Verpflichtung zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Der andere, nicht betreuende Elternteil, hat den Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Die Vorstellung des Gesetzgebers, dass ein Elternteil das Kind betreut und versorgt und der andere Elternteil die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt, trifft nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall auch zu.
Schwerpunkt der Betreuung bei der Mutter
Diese Beurteilung sei solange nicht infrage zu stellen, solange ein erkennbares Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liege. Hier nehme zwar der Kindesvater ein Umgangsrecht wahr, das über das übliche Maß deutlich hinausgehe und dessen Ausgestaltung sich einer Mitbetreuung bis zu einem gewissen Grade annähere. Gleichwohl sei immer noch feststellbar, dass die Hauptverantwortung bei der Kindesmutter liege. Dies zeige sich nicht nur an dem geringfügigen zeitlichen Übergewicht in der Betreuung des Kindes, sondern auch in der Übernahme wesentlicher organisatorischer Aufgaben durch die Kindesmutter, so zum Beispiel die Beschaffung von Kleidung und ähnlichem, die Regelung außerschulischer Aktivitäten wie Sport- und Musikunterricht und an weiteren Details. In diesem Fall müsse es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung und eben nicht durch Leistung von Barunterhalt erfülle (BGH, Urteil v. 21.12.2005, XII ZR 126/03). Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass die Sachlage anders zu beurteilen wäre, wenn die Betreuungsanteile der Eltern tatsächlich gleich wären. In einem solchen Fall hätten die Eltern unter Berücksichtigung der erbrachten Naturalleistungen anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen auch für den Barunterhalt aufzukommen.
Düsseldorfer Tabelle ist nur Anhaltspunkt
Auch wenn es nach Auffassung des BGH bei der grundsätzlichen Barunterhaltsverpflichtung des Kindesvaters bleibt, schließt dies nach Meinung der Richter nicht aus, dass bei der Unterhaltsberechnung die im Rahmen des erweiterten Umgangsrechts getätigten Aufwendungen berücksichtigt werden. Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass die Unterhaltsbedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle nur Hilfsmittel der Unterhaltsbemessung seien, die stets im Einzelfall auf ihre Angemessenheit und Ausgewogenheit hin zu überprüfen seien (BGH, Urteil v. 06.2.2002, XII ZR 20/00). Das Gericht könne zum Beispiel die Kosten für das Vorhalten von Wohnraum, zusätzliche Fahrtkosten und ähnliches zum Anlass nehmen, den Unterhaltsbedarf unter Herabstufung um ein oder mehrere Einkommensgruppen in der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen.
Zweiter Reduktionsschritt
Darüber hinaus könne der Unterhaltsbedarf zusätzlich gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil im Rahmen des Umgangsrechts dem Kind Leistungen erbringe, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente deckt. Vorliegend seien allerdings solche bedarfsmindernde Aufwendungen des Kindesvaters nicht festgestellt worden. Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze stellte der BGH-Senat keine wesentlichen Rechtsfehler der Vorinstanz fest. Im Hinblick auf Rechts- und Verfahrensfehler hinsichtlich der zuerkannten Unterhaltsrückstände und Zinsen verwies der BGH die Sache jedoch an die Vorinstanz zurück.
(BGH, Beschluss v. 12.3.2014, XII ZB 234/13).
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