Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags auf Grund der Gesamtwürdigung
Bei der Gestaltung von Eheverträgen ist Vorsicht geboten. Insbesondere wenn von vornherein eine ungleiche Verhandlungsposition besteht.
Wenn ein Ehevertragspartner ein schwache Position hat
Das kann z.B. der Fall sein bei Sprachschwierigkeiten eines aus dem Ausland übergesiedelten Ehegatten. Bei auffällig ungleichen Machtverhältnissen werden die Regelungen im Ehevertrag bei der Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle verstärkt unter die Lupe genommen. Das kann im Scheidungsfall zu bösen Überraschungen für den Ehegatten führen, der sich Vorteile aus dem Ehevertrag erhofft.
Ehevertrag zwischen Deutschem und seiner Ehefrau aus Weißrussland
In einer aktuellen Entscheidung des OLG Karlsruhe wurde ein Ehevertrag gekippt, der im Jahr 2004 zwischen einem Deutschen und seiner aus Weißrussland zugezogenen Ehefrau geschlossen worden war. Die beiden hatten sich über eine Kontaktanzeige kennengelernt, woraufhin die Frau sich im Sommer 2002 gemeinsam mit ihrem aus einer früheren Beziehung geborenen vierjährigen Sohn mehrere Monate bei dem Mann in Deutschland aufhielt.
Im Januar 2003 zog die damals 38-jährige Frau dann mit ihrem Sohn endgültig nach Deutschland und im Dezember 2003 heirateten die beiden. Einige Monate später im März 2004 schlossen sie einen Ehe- und Erbvertrag, der unter anderem
- die Vereinbarung von Gütertrennung enthielt,
- den teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs bis zur Einbürgerung der Ehefrau und
- einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht für den Fall, dass die Ehe binnen drei Jahren geschieden werden sollte.
Durch einen weiteren Ehevertrag im März 2013 wurden die Regelungen noch dahingehend verschärft, dass der Versorgungsausgleich für die gesamte Ehezeit ausgeschlossen und auf nachehelichen Unterhalt vollständig verzichtet wurde.
Ehefrau verlangt Unterhalt und Zugewinnausgleich
Nach der Trennung der Eheleute im Jahr 2018 kam Streit über die Frage der Wirksamkeit des Ehevertrages auf. Die Ehefrau wollte Zugewinnausgleich geltend machen und begehrte im Scheidungsverfahren die Auskunft ihres Mannes zu seinen Vermögensverhältnissen. Ferner verlangte sie nachehelichen Unterhalt und die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Das Familiengericht hielt die Eheverträge für wirksam, mit ihrer Beschwerde hatte die Ehefrau aber vor dem OLG Erfolg.
Gesamtwürdigung des Ehevertrages führt zur Sittenwidrigkeit
Das OLG vertrat die Auffassung, dass schon der erste Ehevertrag der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB nicht standhält und sittenwidrig ist. Zwar sind die darin enthaltenen Regelungen bei isolierter Betrachtungsweise nicht zu beanstanden.
Im Rahmen einer gebotenen Gesamtwürdigung erweist sich der Vertrag aber als sittenwidrig, da das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung der Ehefrau abzielt.
Uneingeschränkter Ausschluss von Betreuungsunterhalt
So wird insbesondere beim Ausschluss des nachehelichen Unterhalts keine Einschränkung für den Fall vorgenommen, dass aus der Ehe ein Kind hervorgeht. Vielmehr wird auch der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB vollständig ausgeschlossen, obwohl angesichts des Alters der Ehefrau nicht auszuschließen war, dass diese aus der Ehe noch ein Kind bekommen würde.
Zudem war im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages für die Ehefrau nicht absehbar, dass Sie zeitnah ein eigenes Erwerbseinkommen erzielen wird. Zwar war sie studierte Physikerin. Als Ausländerin musste sie aber zunächst in Sprachkursen ihre Deutschkenntnisse vertiefen, um überhaupt am Erwerbsleben teilnehmen zu können.
Im Ergebnis hat das OLG den Ehevertrag also als sittenwidrig eingestuft mit der Folge, dass der Vertrag insgesamt nichtig ist und der Ehemann sich auf die darin enthaltenen Regelungen nicht berufen kann.
(OLG Karlsruhe, Beschluss v. 31.03.2021, 5 UF 125/20).
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Hintergrund: Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen
Nach der Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen ist ein Ehevertrag sittenwidrig, wenn sich aus der Gesamtschau aller Elemente eine unangemessene Benachteiligung eines Ehegatten ergibt und zudem außerhalb der Vertragsurkunde verstärkende Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität hindeuten (Zwangslage, soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit, intellektuelle Unterlegenheit).
Wenn gleichzeitig in einem Ehevertrag Gütertrennung, Ausschluss des Unterhalts und des Versorgungsausgleichs vereinbart werden, kann dies eine regelrecht verwerfliche Gesinnung des Ehepartner und eine subjekt einseitige Benachteiligungsabsicht gegenüber dem anderen erkennen lassen (BGH, Beschluss v. 15.3.2017, XII ZB 109/16).
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