Haftung für Unfallverletzung eines Kindes auf einem Reiterhof

Ein achtjähriges Mädchen fällt während des Reitunterrichts auf dem Reiterhof vom Pony und wird von ihm verletzt. Haftet die Reithalle aufgrund der Tierhalterhaftung oder ist das Mädchen selbst schuld, weil es die Anweisungen der Reitlehrerin nicht richtig umgesetzt hat?

Das Mädchen nahm zusammen mit zwei weiteren Kindern eine Reitstunde. Der Reitunterricht fand in einer Reithalle statt. Das Pony, auf dem das Mädchen saß, wurde von einer Reitlehrerin an der Longe geführt.

Kind fällt vom Pony, Pony stürzt auf das Kind

Während des Unterrichts kam es zu einem unglücklichen Unfall. Das Mädchen fiel vom Pony, das wiederum auf die Achtjährige stürzte und diese erheblich verletzte: Das Mädchen erlitt einen Bein- und einen Schlüsselbeinbruch und musste operiert werden. Nach der Operation war die Achtjährige für sechs Wochen so eingeschränkt, dass sie in einem Rollstuhl sitzen musste. Das Mädchen verklagte die Reithalle auf Schmerzensgeld.

Verwirklichung typischer Tiergefahr?

Das Landgericht hatte der Klage Recht gegeben und die Reithalle zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 Euro verurteilt. Begründung: Bei dem Unfall habe sich eine typische Tiergefahr realisiert. Eine typische Tiergefahr äußert sich nach ständiger BGH-Rechtsprechung in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres. Die Reithalle hafte hierfür als als Halterin des Ponys.

Mangelnde Reiterfahrung der Achtjährigen muss berücksichtigt werden

Die Haftung komme auch dann zum Tragen, wenn das Mädchen möglicherweise die Kommandos der bei der Reithalle angestellten Reitlehrerin nicht richtig umgesetzt habe. Das Alter des Kindes und seine mangelnde Reiterfahrung müssten hier berücksichtigt werden. Die Berufung der Reithalle gegen das Urteil hatte keinen Erfolg.

Haftungsvoraussetzungen, die die Betreiber der Reithalle erfüllten

Warum die Reithalle schadensersatzpflichtig ist, obwohl bei einem Nutztier die Tierhalterhaftung nicht verschuldensunabhängig greift, begründete das OLG Oldenburg unter anderem damit:

  • Bei einem Kind sei im Rahmen einer Reitstunde besondere Vorsicht geboten.
  • Die Reithalle kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Pony bislang stets ruhig gewesen sei, denn man habe das Pony erst ein halbes Jahr vor dem Unfall gekauft
  • und es wurde nicht explizit getestet, dass das Tier Reitfehler von Kindern toleriere.

Die beklagte Reithalle hat auf einen Hinweis des Senats die Berufung zurückgenommen.

(OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss v. 30.11.2020, 2 U 142/20)

Hintergrund: Tierhalterhaftung

Gemäß § 833 BGB haftet der Halter eines Tieres verschuldensunabhängig auf Ausgleich der durch das Tier verursachten Sach- oder Personenschäden, solange es sich nicht um ein Haustier handelt, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist.

Liegt einer der letzteren Fälle eines sog. Nutztieres vor, besteht zwar eine verschuldensabhängige Haftung. Bei dieser wird jedoch nach § 833 Abs. 1 S. 2 BGB das Verschulden des Halters ebenso wie eine Kausalität vermutet. Dies hat zur Folge, dass sich der Halter entsprechend exkulpieren muss.

Tiere, die aus Liebhaberei oder zu sonstigen ideellen Zwecken wie z.B. zur Ausübung des Reitsports gehalten werden, ohne dass der Halter aus ihrer Nutzung - der Vermietung, Erteilung von Reitunterricht, Zucht oder dergleichen - seinen Erwerb bezieht, werden von der Vorschrift nicht erfasst (BGH, Urteil v. 14.02.2017, VI ZR 434/15).

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

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Schlagworte zum Thema:  Haftung, Schmerzensgeld