Sachverständige ist wegen Verbraucherschutzbeitrag nicht befangen

Veröffentlicht ein Sachverständiger auf einer verbraucherfreundlichen Internetplattform Beiträge zum Regulierungsverhalten der Versicherungen, ist das aus Sicht der Assekuranzen  zwar ärgerlich, rechtfertigt aber - aus Richtersicht - allein noch keine Besorgnis der Befangenheit.

So sieht es zumindest das OLG Hamm. In dem Fall hatte das Landgericht Bochum in einem Verkehrsunfallprozess unter Beteiligung der Versicherungen einen diplomierten Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Es betraf die  Üblichkeit der von der Klägerin berechneten Tarife sowie die Erforderlichkeit der Reparaturdauer und der Kosten der Endreinigung.

Autor für Verbraucherschutz  muss nicht befangen sein

Die beklagte Versicherung hatte den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Begründung: der Sachverständige sei seit 2006 Autor einer Internetseite. Diese Internet-Plattform bezweckt nach eigenen Angaben den Verbraucherschutz und sieht das Regulierungsverhalten der Versicherungen kritisch. Der Sachverständige hat wie folgt zu dem Befangenheitsgesuch Stellung genommen.

  • Er hat ausgeführt, es habe in der Vergangenheit bereits mehrfach Ablehnungsgesuche wegen seiner Autorenschaft gegeben, obwohl er keine „versicherungsfeindlichen“ Beiträge eingestellt habe.
  • Aus diesem Grunde habe er gebeten, ihn zur Vermeidung von Missverständnissen aus dem Autorenteam zu entbinden. Dies sei auch seit längerer Zeit erfolgt.

Objektive Sicht maßgeblich

Ein Sachverständiger kann gemäß § 406 Absatz I ZPO aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Daher ist die Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteilich gegenüber.

  • Die Ablehnung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen setzt nicht voraus, dass der Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder dass das Gericht selbst Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat.
  • Für eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit genügt vielmehr der bei dem ablehnenden Prozessbeteiligten erweckte Anschein der Parteilichkeit.
  • Maßgebend dafür ist aber die objektive Sicht einer vernünftigen Partei.

Fachbeiträge steigern das Niveau

Das Oberlandesgericht Hamm gesteht dem Beklagten zu, dass der Betrieb der fraglichen Internet-Plattform „www.D.de“ nicht unparteilich ist. Die Verantwortlichen haben sich vielmehr den Schutz der Verbraucher gegenüber der Versicherungswirtschaft zum Ziel gesetzt.

  • Das sei jedoch grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zudem sei es sinnvoll, wenn sich an einer solchen Plattform auch Experten aus dem Bereich der Unfallregulierung beteiligen.
  • Dazu gehörten neben Fachanwälten auch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, die über eine langjährige Erfahrung bei der Erstellung von gerichtlichen Gutachten verfügen.
  • Beiträge von entsprechenden Fachleuten tragen zu einem Austausch auf einem qualifizierten Niveau bei.

Die Besorgnis der Befangenheit ergibt sich laut Richterspruch nicht aus einer Autorenschaft des Sachverständigen, weil er sich nach eigenen Angaben, an denen das Gericht nicht zweifelte, bereits vor einiger Zeit zur Vermeidung von Missverständnissen insoweit von dem Internet-Auftritt distanziert, als er dort nicht mehr in hervorgehobener Stellung als Autor tätig ist.

Ausweislich des aktuellen Internet-Auftritts wird der Sachverständige nicht in der Liste der Autoren genannt. Aus der früheren Autorenschaft im Jahre 2006 ergebe sich nichts anderes. „Gerade der Umstand, dass sich der Sachverständige von dieser Aufgabe wieder hat entbinden lassen, um Missverständnisse zu vermeiden, spricht für sein Bemühen um ein unparteiliches Auftreten“, betonte das Gericht.

  • Etwas anders würde nach Ansicht des Gerichts  nur dann gelten, wenn der Sachverständige nach wie vor konkrete Kommentare oder Stellungnahmen einstellen würde,
  • in denen er gegenüber der beklagten Versicherung selbst in abwertender Weise Stellung bezogen hätte,
  • sich in parteilicher Weise in Bezug auf die ihm hier gestellten Beweisfragen geäußert hätte
  • oder allgemeine Bekundungen in pauschaler und nicht mehr zumutbar abwertender Weise betreffend alle Kfz-Versicherer getätigt hätte.

Für entsprechende Beiträge fehlten jedoch hinreichende Anhaltspunkte. 

(OLG Hamm, Beschluss vom 26.2.2015,  1 W 86/14).

Vgl. zu dem Thema auch:

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Schlagworte zum Thema:  Sachverständige, Befangenheit