Wann entfällt der Anspruch auf PKH wegen Mutwilligkeit?
In dem Fall wollte ein zu fast 4 ½ Jahren verurteilter Mann nach vollständiger Haftverbüßung dem Freistaat einen Mahnbescheid in Höhe von 400 Mio. Euro (!) zuschicken, weil er angeblich zu Unrecht eingesessen hatte. Nachdem bereits die Vorinstanzen abgewunken hatten, beschied auch der Bundesgerichtshof den Antragsteller negativ.
Mutwillig? Durchschnittsbürger hätte niemals geklagt
Begründung der Ablehnung: Die beabsichtige Rechtsverfolgung sei mutwillig.
Mutwilligkeit im Sinne von § 114 Abs. 2 ZPO liege insbesondere vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde.
Aus der gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art . 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzgleichheit folge, dass die mittellose Partei nur einer solchen „normalen” Partei gleichzustellen sei, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwäge und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtige.
Aus Sicht des BGH kann man nicht davon ausgehen, dass dem Antragsteller 400 Millionen EUR zugesprochen würde, selbst wenn er zu Unrecht verurteilt worden und in Haft gewesen wäre.
Hintergrund: Es ist laut BGH nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Personen Prozesse zu ermöglichen, die eine wirtschaftlich leistungsfähige Partei bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde.
Heute kein Mahnbescheid für Sie
Nach diesen Maßstäben bewerteten die höchsten deutschen Zivilrcihter die Rechtsverfolgung des Ex-Häftlings als mutwillig. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage würde eine verständige Partei, die selbst für die Gerichtskosten aufzukommen hätte, davon absehen, einen Mahnbescheid über einen Hauptsachebetrag von 400 Mio. Euro gegen den Freistaat Bayern zu beantragen, auch wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass nach §§ 688 ff. ZPO vorliegen sollten (BGH, Urteil v. 26.07.2017, III ZA 42/16).
Auch Ankündigung eines Widerspruchs lässt PKH-Anspruch entfallen
In einer weiteren aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Ankündigung des Forderungsgegners, einer Gemeinde, gegen einen Mahnbescheid Widerspruch einzulegen, den Antrag auf PKH zur Beantragung eines Mahnbescheids als mutwillig erscheinen lasse.
Durch die Widerspruchsankündigung rücke das Ziel des Mahnbescheids, einen schnellen Vollstreckungstitel zu erlangen, in weite Ferne.
Die Beschreitung eines prozessualen Weges, hier: des Mahnverfahrens, der erkennbar aussichtslos ist, sei mutwillig i. S. v. § 114 Abs. 2 ZPO, betonte der BGH. Eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägt, würde bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Verfahrenslage ihre Rechte nicht im Mahn-, sondern im Klageverfahren verfolgen.
(BGH, Beschluss v. 31.08.2017, III ZB 37/17).
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Hintergrund:
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht mutwillig erscheinen. Die Mutwilligkeit wird in § 114 Abs. 2 ZPO definiert.
- Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
- Das hypothetische Verhalten einer selbstzahlenden Partei, die sich in der Situation des Antragstellers befindet, ist folglich der Maßstab, der bei der Beurteilung der Mutwilligkeit anzulegen ist.
Verfassungsrechtlich ist lediglich geboten, den Unbemittelten hinsichtlich seiner Zugangsmöglichkeiten zum Gericht einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt.
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