Die Zukunft nachhaltiger Lieferketten

Nur eine nachhaltige Lieferkette ist auch eine resiliente Lieferkette. Sagt Anahita Thoms. Im Interview erläutert die Topjuristin, wie Unternehmen Risiken in ihren Lieferketten minimieren und wie sich der rechtliche Rahmen entwickelt.

„The Future of Sustainable Supply Chains“ – das war der Titel von Anahita Thoms’ Keynote beim Impact Festival 2022. Als sogenannte globale Leitpartnerin für Nachhaltigkeit der Industriegruppe „Industrials, Manufacturing & Transportation“ bei der Wirtschaftskanzlei Baker McKenzie berät sie Großkonzerne national und international.

Daneben ist Thoms im „Sustainable Finance“-Beirat der Bundesregierung, im Vorstand der Atlantik-Brücke, seit 2020 Mitglied der Young Global Leader des World Economic Forum und Teil des Deutschen UNICEF-Komitees. Wir haben mit ihr auf dem Impact Festival darüber gesprochen, wie Unternehmen ihre Lieferketten nachhaltiger gestalten können und wieso sie keinesfalls auf die Regulatorik warten sollten.

Frau Thoms, Sie sprachen gerade über die Zukunft nachhaltiger Lieferketten. Was zeichnet eine nachhaltige Lieferkette für Sie aus?

Anahita Thoms: Wir müssen unsere Lieferketten analysieren und die Schwachpunkte verstehen. Wir müssen diversifizieren, wir müssen digitalisieren. Wir müssen bei besonders kritischen Produkten überlegen, ob wir regionalisieren. Wir müssen die Themen Biodiversität, Klimawandel, aber auch soziale Belange – wie zum Beispiel Kinderarbeit – berücksichtigen. Entscheidend ist auch, dass wir uns darüber bewusst sind, welche CO²-Emissionen die Lieferkette auslöst.

Meine Vision für die Zukunft nachhaltiger Lieferketten ist, dass wir bewusster damit umgehen und nicht nur aufgrund regulatorischer Anforderungen handeln. Denn nur eine nachhaltige Lieferkette ist eine resiliente Lieferkette.

Leitlinien für nachhaltige Lieferketten

An welchen Leitlinien können sich Unternehmen orientieren, um angemessen mit Risiken in ihren Lieferketten umzugehen?

Es gibt schon seit langem die UN Guiding Principles, an denen sich Unternehmen orientieren sollten. Das ist „soft law“. Der Rahmen entwickelt sich aber sehr stark in Richtung „hard law“: Ab Januar 2023 gilt für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Die Frage ist aber, ob nicht auch kleinere Unternehmen jetzt schon gemäß der zukünftigen Anforderungen handeln sollten – allein aus Reputations- oder Resilienzgesichtspunkten. Außerdem sehe ich bereits jetzt einen sog. „Trickle Down Effekt“, das heißt dass große Unternehmen ihre Vertragspartner verpflichten, um ihren eigenen gesetzlichen Pflichten nachzukommen. Ab 2024 ist das Gesetz dann auch für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern bindend.

Welche Herausforderungen bringt das Lieferkettengesetz für Unternehmen und was bedeutet es für die Menschen in den Lieferketten?

Welche Auswirkungen es haben wird, können wir jetzt noch nicht absehen. Was wir aber sehen können ist, dass die Unternehmen, die jetzt unter den Anwendungsbereich fallen, sich viel intensiver mit ihren Lieferketten beschäftigen. Und sie werden auch bestimmte Maßnahmen treffen müssen: Im eigenen Geschäftsbereich, in Bezug auf ihre unmittelbaren Zulieferer und in bestimmten Situationen auch bei ihren mittelbaren Zulieferern. Das ist ein Paradigmenwechsel: Ein Shift von „soft law“ zu „hard law“, aber auch ein Shift von „Reporting Requirements“ zu „Due Diligence“.

Was können Unternehmen darüber hinaus tun, um zum Beispiel Menschenrechte in ihren Lieferketten zu stärken?

Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen, die Unternehmen führen, die Situation vor Ort anschauen. Das öffnet die Augen. Man blickt ganz anders auf eine Region, wenn man in ihren ärmsten Vierteln war. Wenn man Armut und Nöte gesehen hat.

Ich würde mir auch wünschen, dass manche ihre Fabriken besser kennenlernen. Dass sie nicht nur in den Metropolen dieser Welt Meetings abhalten, sondern dass sie sagen „das ist mein Tier-5-Supplier, ich gehe in die Region und schaue es mir genauer an.“

Wir müssen die Unternehmen fordern. Aber wenn wir sie überfordern, müssen wir uns auch über die Konsequenzen im Klaren sein. Wenn ich mit Menschen in armen Vierteln rede, dann sagen die auch „wenn diese Fabrik schließt, womit verdiene ich dann noch mein Geld?“ Deshalb sagt das