Nachwuchskräfte und Nachhaltigkeit im Unternehmen

Die jüngere Generation kann in Unternehmen zu einer treibenden Kraft für eine grüne Zukunft werden. Zwei Beispiele zeigen, wie sie dazu beitragen kann, den Wandel zu gestalten und Unternehmen zu nachhaltigen Vorreitern zu entwickeln.

Über Langeweile kann Karina Frochtmann nicht klagen. Als Projektleiterin der „SDG-Scouts“ sorgt sie dafür, dass Auszubildende in Unternehmen zu Expert:innen für nachhaltige Entwicklung werden – und die Nachfrage ist groß. „Wir haben damit ziemlich gut den Nerv getroffen“, sagt Frochtmann stolz. 

Die Idee hatte Dieter Brübach, stellvertretender Vorsitzender von B.A.U.M. e.V., im Jahr 2020. Er wollte ein Angebot schaffen, das Auszubildenden aus Unternehmen die Grundlagen nachhaltigen Wirtschaftens vermittelt. Heute – vier Jahre später – haben bereits mehr als 60 Betriebe junge Menschen zu SDG-Scouts ausbilden lassen. Und für den Kreis Euskirchen hat B.A.U.M. das Programm für Mitarbeitende aus Unternehmen angepasst. 

Schulungen mit nachhaltigem Mehrwert

Eine Schulung zum SDG-Scout dauert rund sechs Monate und wird zweimal jährlich jeweils ab Herbst und Frühjahr angeboten. In drei intensiven Workshops werden die Teilnehmer:Innen in die Welt der Nachhaltigkeit und der Sustainable Development Goals (SDG) eingeführt. Sie lernen, das Potenzial ihres Unternehmens für die Erreichung der SDGs einzuschätzen und entwickeln Projekte, die das Unternehmen in diesem Bereich weiterbringen. „Am Ende sollen sie ihr Projekt der Geschäftsführung präsentieren und von ihnen grünes Licht bekommen“, sagt Frochtmann. 

Unterstützt werden die jungen Leute dabei von einer erfahrenen Kraft im Unternehmen. Sie hilft ihnen bei der Einschätzung, was machbar und wie es umzusetzen ist. „Die Teilnehmenden entwickeln während des Kurses viele Ideen“, erzählt Frochtmann. Und die sollen nicht in der Schublade landen, sondern nach und nach umgesetzt werden. 

SDG Scouts: Vielfältige Projekte, wertvolle Kontakte

Die Ideen sind vielfältig. Sie reichen von Nachhaltigkeits-Trainings für Auszubildende über die Installation von E-Auto-Ladestationen bis zur nachhaltigen Optimierung des Paketversands oder der Installation einer Photovoltaik-Anlage für das Aufladen der E-Bikes. Die SDG-Scouts tragen so dazu bei, Nachhaltigkeit im Unternehmen voranzutreiben und werden selbst zu Motoren der Transformation. „Wir wollen, dass ein Stein ins Rollen kommt“, meint Frochtmann. 

So wie bei Nico Tatge, der die Schulung zum SDG-Scout im ersten Jahr durchlaufen hat. „Ich habe damals viel gelernt“, erzählt er. „Genauso wichtig war aber, dass ich mich mit vielen Gleichgesinnten vernetzen konnte.“ Die Kontakte bestehen heute noch. Und auch für seinen eigenen Berufsweg hat sich die Schulung ausgezahlt: „Nach dem Training bin ich für die Nachhaltigkeitsthemen im Unternehmen verantwortlich geworden. Das wäre ohne diese Weiterbildung wahrscheinlich nicht passiert.“ 

Die große Nachfrage nach dem Programm kommt nicht von ungefähr. Ausbildungsbetriebe müssen den Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit abdecken. Die SDG-Scout-Schulung bietet dafür eine gute Gelegenheit. In den vergangenen zwei Jahren wurde das Projekt durch das Umweltbundesamt und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert. Auch nach Auslaufen der Förderung wird es weitergeführt. Und in manchen Regionen – wie zum Beispiel im Kreis Euskirchen – konnten Partner:innen gefunden werden, so dass dort das Training zu ermäßigten Kosten angeboten wird.

Das Nachhaltigkeits-Audit, ein Blick von außen

Während die SDG-Scouts auf eine Veränderung des Unternehmens durch interne Mitarbeitenden setzen, geht es den Nachhaltigkeits-Auditor:innen von „Leadership Rhein-Main gUG“ (LSRM) und dem Freiwilligem Ökologischen Jahr (FÖJ) Hessen um den Blick von außen. Entstanden ist die Idee, als Laurin Strößenreuther, Gründerin von LSRM, zu einer Begegnung zwischen Führungskräften und Vertreter:Innen des BUND und FÖJ Hessen einlud. Sehr schnell drehte sich das Gespräch um Potenzial und Verantwortung der Wirtschaft. „Wir machen doch ganz viel“, sagten die Wirtschaftsvertreter:innen – und stießen auf Skepsis bei BUND und FÖJ. „Am Ende stand die Einladung der Wirtschaft: Kommt und schaut doch“, erzählt Strößenreuther. 

Gemeinsam mit den Coaches und LSRM-Mitgliedern Dr. Bernd Scharbert und Claudia Gräbel-Beermann entwickelte sie das Konzept der Nachhaltigkeitsauditor:innen. Teilnehmende des FÖJ (FÖJtis) sollten die Möglichkeit bekommen, in Unternehmen ein Nachhaltigkeits-Audit durchzuführen. Sie überprüfen, wo das Unternehmen bereits gut ist und wo noch Potenzial besteht.

Wird die Stimme junger Menschen gehört?

In den vergangenen drei Jahren haben mehr als 20 FÖJtis am Projekt teilgenommen und insgesamt sechs Audits durchgeführt. Ole Kiehne ist einer von ihnen, die voriges Jahr den Evonik-Standort Hanau unter die Lupe nahmen. Vor ihrem Besuch wurden sie gecoacht, informierten sich ausführlich über die Nachhaltigkeitsthemen von Evonik und entwickelten ihren Fragenkatalog für das Audit. „Es ist wichtig, dass die Stimmen der jungen Menschen im Unternehmen ernst genommen werden. Wir Coaches stellen sicher, dass ein Dialog auf Augenhöhe stattfindet“, betont Strößenreuther. 

Und die Stimme der jungen Menschen wurde gehört: Ole Kiehne wurde im Anschluss sogar zu einer Nachhaltigkeitskonferenz von Evonik auf Konzernebene eingeladen, wo er neben Vertreter:innen einer NGO seine Sicht auf das Unternehmen präsentierte. 

„Als wir gefragt wurden, ob wir bei dem Audit mitmachen, haben wir sofort zugesagt“, berichtet Silke Wodarczak, Leiterin der Standortkommunikation Hanau. Einige der Punkte, die im Auditbericht angemerkt wurden, hat das Unternehmen in der Zwischenzeit angegangen. Dazu sagt Wodarczak: „Die FÖJtis haben unsere Sustainability Manager in den Geschäftsbereichen und unsere Next Generation Technologies gelobt. Sie hatten aber auch angemerkt, dass wir uns nicht zum Thema Gender Pay Gap äußerten. Die entsprechenden Zahlen stehen jetzt im Nachhaltigkeitsbericht. Sie hatten das Kantinenessen wegen des Fleischangebots kritisiert. Daran arbeiten wir. Sogar der fein gemähte Rasen ist mittlerweile einer Blumenwiese gewichen.“ 

Kritisch hinterfragt wurde vor allem, wie viel das Unternehmen zum Schutz des Klimas beitragen kann. „Uns war diese Frage sehr wichtig, denn jedes Zehntel Grad macht einen Unterschied“, sagt Kiehne. Über diesen Austausch ist Bernd Scharbert sehr zufrieden. „Der Dialog auf Augenhöhe funktioniert. Beide Seiten lernen viel – die Unternehmen über mögliche Verbesserungen und die jungen Menschen über die Komplexität von Nachhaltigkeit in der Praxis.“

Wer an einem der Programme interessiert ist, findet hier weitere Informationen zu den SDG Scouts und Leadership Rhein-Main.


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