In der Praxis ist der Anteil an Zeugnissen für Personen, die sich nicht in das binäre Geschlechtssystem „männlich“ und „weiblich“ einordnen, zwar verschwindend gering, aber der zunehmende Gebrauch genderneutraler Sprache in Gesellschaft und Unternehmen und vor allem eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat auch HR für das Thema sensibilisiert. Viele fürchten eine Haftung wegen einer ungewollten Diskriminierung.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 10.10.2017 im Zusammenhang mit §§ 21, 22 Personenstandsgesetz (PStG) einen Beschluss zum dritten Geschlecht erlassen (Az.: 1 BvR 2019/16).
Bis dahin gab es für Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlten, im Geburtenregister lediglich die Option, gar kein Geschlecht eintragen zu lassen. Diese Regelung verletzte aber intergeschlechtliche Personen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, stellte eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar und verstieß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot.
In seiner Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber daher aufgefordert, das Personenstandsrecht zu ändern, um Personen mit drittem Geschlecht eine passende Eintragung im Geburtenregister zu ermöglichen.
Seit dem 22.12.2018 ist das dritte Geschlecht nun in § 22 Abs. 3 PStG geregelt: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so kann der Personenstandsfall auch ohne eine solche Angabe oder mit der Angabe „divers“ in das Geburtenregister eingetragen werden.“ Nach § 45b PStG können bestehende Angabe zum Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag entsprechend ersetzt oder gestrichen werden.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die eigentlich das Personenstandsrecht betrifft, hat gleichzeitig große Bedeutung für das Arbeitsrecht. Warum? Nach § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt der Grundsatz, dass Arbeitgeber eine Person nicht aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität benachteiligen dürfen. Die Richter:innen stellten in ihrem Beschluss klar, dass Geschlecht im Sinne des Grundgesetzes „auch ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich sein kann“. Arbeitgeber dürfen also Personen mit drittem Geschlecht genauso wenig benachteiligen wie Frauen und Männer.
Bei Stellenanzeigen, die bis dahin als geschlechtsneutral galten, wenn sowohl männliche als auch weibliche Tätigkeitsbezeichnungen verwendet wurden, ließ sich das recht einfach umsetzen: Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird meist die Bezeichnung “divers” aufgenommen, z. B. “Mitarbeiter (m/w/d)“ oder es werden geschlechtsneutrale Formulierungen gewählt, z. B. „Fachkraft“.
Aber wie erstellen Sie jetzt ein Zeugnis für intergeschlechtliche Personen? Entwarnung vorab: Wenn Sie nicht wissen, dass der:die Zeugnisempfänger:in sich dem dritten Geschlecht zugehörig fühlt, handeln Sie nicht schuldhaft, wenn Sie das Zeugnis mit weiblicher bzw. männlicher Anrede ausstellen. Eine Haftung ist ausgeschlossen.
Ihnen ist bekannt, dass Sie das Arbeitszeugnis für eine Person mit drittem Geschlecht erstellen sollen? Bis heute hat sich keine einheitliche Sprachregelung für die Anrede von Personen mit drittem Geschlecht herausgebildet. Dies gilt nicht nur für die Anrede, sondern auch für Personalpronomina (er/sie) und Possessivpronomina (seine/ihre). Personen mit drittem Geschlecht verwenden selbst unterschiedliche Anreden und zum Teil neu entstandene Pronomina oder ersetzen die Pronomina durch die Nennung von Vor- und Nachnamen.
Suchen Sie das Gespräch mit der Person mit drittem Geschlecht, für die Sie ein Arbeitszeugnis erstellen sollen. Fragen Sie sie, wie sie angesprochen werden möchte. Es ist in jedem Fall ratsam, die vom Zeugnisempfänger:in gewünschte Anrede zu verwenden. So sind Sie rechtlich auf der sicheren Seite und können nicht wegen einer möglichen Diskriminierung haftbar gemacht werden.
Christina Mayer ist Chefredakteurin des Haufe Zeugnis Managers und Redakteurin weiterer arbeitsrechtlicher Inhalte im Haufe Personal Office - vom Befristungs- bis Zeugnisrecht. Als Juristin bringt sie den arbeitsrechtlichen Background mit und engagiert sich gleichzeitig für innovative Applikationen für HR.