Immobilienmärkte: Ist das Schreckgespenst Inflation zurück?

Während an den Immobilienmärkten – angefeuert durch die lockere Geldpolitik der Noten­ban­ken – steigende Preise Normalität geworden sind, tat sich bei den Verbraucher­prei­sen lange wenig. Das scheint sich zu ändern. Handelt es sich um ein vo­rü­bergehendes Phänomen oder um eine Trendwende?      

Die Inflation in Deutschland gewinnt weiter an Fahrt. Auf Jahresbasis stieg sie im September um 4,1 Prozent, im Euroraum um 3,4 Prozent. Das ist in Deutschland der höchste Sprung seit De­zem­ber 1993. Die Deutsche Bundesbank geht davon aus, dass sich der Anstieg der Verbraucherpreise in den nächsten Monaten noch beschleunigt. "Meine Fachleute er­war­ten für Deu­tschland zum Jahresende Raten, die in Rich­­tung fünf Pro­zent gehen könnten", hat­te Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank, be­reits im Juli signalisiert.

Im nächsten Jahr werde sich die Preisdynamik aber wieder deutlich abflachen, heißt es sei­tens der Deutschen Bundesbank beschwichtigend. Sie verweist da­rauf, dass die aktuell recht hohe In­flation vor allem auf Ba­sis­­­ef­fekte zu­rück­­zuführen sei. Da­mit ist gemeint, dass etwa der starke Anstieg der Energiepreise deshalb so hoch er­­scheint, da diese während des Lockdowns we­gen der Covid-19-Pandemie drastisch einge­bro­chen wa­­ren.

Ähn­­lich ver­hält es sich mit der Mehr­wert­steu­er, die zur Entlastung der Ver­­­­brau­­cher vo­r­über­­ge­hend – von Juli bis Dezember 2020 – ge­senkt worden war. Anfang des Jahres wurde der Mehr­wertsteuersatz wie­der auf das alte, höhere Niveau heraufgesetzt, was sich ebenfalls in der Teuerungsrate nieder­schlägt.

Inflation: Wie gefährlich ist die Lohn-Preis-Spirale?

Solche Basiseffekte werden im neuen Jahr bei der Entwicklung der Inflation keine Rol­le mehr spielen. Trotzdem rechnen die Frankfurter Währungshüter damit, dass die Inflations­rate bis Mit­te 2022 nicht wieder unter zwei Prozent fällt. Zuletzt hatte sogar die Präsidentin der Europä­ischen Zen­tral­bank (EZB) Chris­tine La­gar­de eingeräumt, es gebe "einige Faktoren, die zu ei­­­­nem stär­keren Preisdruck führen könnten". Da sind zum einen Lieferengpässe – wie der Chip-Man­gel in der Autoindustrie – so­wie Stö­rungen in den Lieferketten infolge der Coronakrise, die der Wirt­schaft womöglich län­­ger zusetzen als bislang angenommen.

"Entscheidend ist die Frage, ob die Löhne und Gehälter infolge der Inflation stei­gen und sie so noch mehr antreiben", Christian Keller, Chefvolkswirt der Barclays Bank.

Mit anderen Worten: "Könnte die berüchtigte Lohn-Preis-Spirale, die so lange Zeit keine Rol­­le gespielt hat, jetzt doch wieder Wirkung entfalten?", präzisiert Keller. Damit die in Schwung kommt, müsste es Ökonomen zufolge zu einer Kombination von steigenden Inflationserwartun­gen und kräftigen Lohnzuwächsen kommen.

Die sind in Deutschland noch nicht erkennbar. Das könnte sich im Ver­lauf der nächs­ten Jah­re infolge des demo­gra­fi­schen Wandels aber ändern, wenn sich die ge­bur­ten­starken Jahr­gän­ge sukzessive in den Ruhestand verabschieden. Bis 2035 wird die er­werbs­tä­ti­ge Be­völ­ke­­rung um bis zu sechs Millionen Menschen sinken. "Das spricht für steigende Löh­ne und damit für eine höhere Inflation", befürchtet Jörg Krämer, Chefvolks­wirt der Com­merz­bank. Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würz­burg, sieht die Si­tu­a­tion entspannter: Langfristig seien Inflationsraten von über zwei Prozent nicht zu er­warten.

Im Gegensatz zu anderen Ökonomen hält er die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale für sehr gering: "Wir haben offene Arbeitsmärkte in der Europäischen Union (EU)." Wenn in Deutsch­land Arbeitskräfte knapp werden sollten, werde das ausgegli­chen, in­dem Arbeitnehmer aus EU-Ländern mit hoher Arbeitslosigkeiten nach Deutsch­land kämen, argumentiert er.

Wie reagieren die Notenbanken?

"Aus­schlaggebend ist, wie die Notenbanken beim Thema ‚Inflation’ bei den Zinsen reagieren", sagt Professor Stef­fen Se­bastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der Uni­­versität Re­gens­­burg. Und von denen haben – im Gegensatz zur EZB – einige schon re­a­giert. Als erste Notenbank eines Industrielandes hob kürzlich die norwegische Zen­tral­­bank die Leit­­zin­­sen – von 0 auf 0,25 Prozent – an. Bald könnten weitere Währungshüter dem Bei­spiel fol­gen.

Zumal die wichtigste Notenbank, die Fe­de­ral Re­ser­ve (Fed), zu er­ken­nen gab, dass sie womöglich noch in diesem Jahr damit starten will, das Vo­lu­­men ihres Kri­­­sen­­pro­gramms zum Kauf von Wertpapieren zu reduzieren. Käme es dazu, könnte die Fed eventuell schon im nächs­ten Jahr an der Zinsschraube drehen. Denn in den USA ist die Kon­junk­­tur heiß­ gelaufen, die Preissteigerungsrate hat die Fünf-Prozent-Marke übersprungen.          

"Doch selbst wenn die US-Notenbank bereits 2022 mit Zinsanhebungen vorprescht, setzt das die EZB nicht unter Zugzwang, da sie vermutlich eher in kleinen, homöopathischen Schritten folgt", gibt Axel Drwenski, Head of Research des Vermögensverwalters KGAL, zu beden­ken. Im Euroraum sei frühestens in zwei bis drei Jahren mit ersten Zinsschritten zu rechnen.

Auswirkung auf die Immobilienmärkte

Wäh­rend die Aktienmärkte momentan mitunter recht nervös auf den bevor­stehenden Liquiditäts­entzug reagieren, scheinen die Immobilienmärkte Inflationssorgen kalt zu lassen. Mi­chael Neu­mann, Vorstandschef der Dr. Klein Privatkunden AG, sieht in höheren Inflations­raten Chan­cen für Immobilienkäufer: Mit einer Kreditaufnahme lasse sich Geld verdienen, rechnet er vor und begründet das mit der negativen Realverzinsung.

Sogar bei 15 Jah­ren Zins­bindung vergäben Banken zurzeit Immobiliendarlehen zu Zinssätzen von unter einem Pro­zent. Liege die Inflation darüber, so Neumann, zahle man für den Kredit kaufkraft­be­reinigt kei­­­­ne Zinsen. Das klingt einleuchtend. Allerdings heizen solche Strategien womöglich die Nach­­fra­ge nach Wohnimmobilien zusätzlich an.        

Könnte das problematisch werden? "Ich sehe kei­ne platzende Immobilienblase, weil das Angebot deutlich niedriger als die Nachfrage ist", sagt Neumann. Kurzfristig mag er damit rich­tig liegen. "Doch im Markt für Eigentumswohnungen hat sich viel Druck im Kessel angesam­melt, die Preise haben längst ein ungesundes Niveau erreicht", warnt dagegen Pepijn Mor­shu­is, Ge­schäftsführer vom Projektentwickler und Bestandshalter Trei Real Estate.

Da Miet- und Kauf­prei­s­e seit einigen Jahren immer stärker auseinander gelaufen sind, investieren die Düsseldorfer in Deutschland bei Wohnimmobilien ausschließlich in neue, selbst entwickelte Mietwohnungsprojekte. "Die Netto-Rendite von Im­mobilienin­vest­ments hat sich in der Bundesrepublik binnen zehn Jahren im Schnitt von fünf auf zwei bis 2,5 mehr als hal­biert", stellt Kurt Jovys, Head of Real Estate Product Management der Kapitalverwaltungs­ge­sell­schaft Universal-Investment, fest. Bei zwei bis 2,5 Pro­zent Geldentwertung be­deutet das, dass bestenfalls eine minimale Realverzinsung übrig bleibt.       

Noch lässt sich diese mit billigem Fremdkapital auf bis zu 3,5 Prozent hebeln. Sollte die EZB ihre lockere Geldpolitik – indem sie etwa im März nächstes Jahr das Pandemie-Ankaufprogramm beendet –, könnte das schon vor einer Leitzinserhöhung die Baukreditzinsen stei­­­­gen las­sen. Wer seine Finanzierung langfristig gesichert hat, beun­ruhi­gt das wohl kaum. Aber sie macht Alter­na­tiv-Investments attraktiver. Das könnte abrupt ei­­­nen Markt­um­schwung ein­­lei­ten, gibt Thomas Bey­er­le, Ge­schäfts­­­füh­rer von Ca­­­tella Pro­­­­­per­ty, zu bedenken.  

Die Mieten stagnierten in fast allen Marktsegmenten auf hohem Niveau, bei Einzelhandelsimmobilien fielen sie – außer bei Nahversorgungszentren – trotz Indexierung sogar, fügt er hinzu. Das limitiert Ertragsspielräume. Hinzu kommt, dass Gebäude schneller altern.

"Die ste­ti­ge Optimierung der Ener­gie­ef­fi­zienz, an­spruchs­vol­lere Wün­sche der Mieter bei der tech­ni­schen Aus­­stattung erfordern höhere In­vesti­tio­nen und schmälern die Rendite der In­ves­toren", Thomas Bey­er­le, Ge­schäfts­­­füh­rer von Ca­­­tella Pro­­­­­per­ty.

Daher kau­fe Catella für seine Fonds immer seltener Bestands­im­mo­bilien, sondern bevorzugt Top-Im­mo­bilien mit Nachhaltigkeits­zer­ti­fikat in bester Lage.    

"Dass die Sanierungszyklen von Immobilien kürzer werden, haben vie­le An­leger noch nicht re­alisiert", sagt Peter Axmann, Leiter Im­mo­­­bi­li­­en­fi­nan­zierung der Hamburg Com­mer­cial Bank. Nach zehn Jahren kann sich der Sanie­rungs­­­­auf­wand auf 20 Prozent der Anschaffungskosten summieren. Doch Rückstellungen wer­den oft nicht mal für die Hälfte gebildet. Chris­ti­an Schulz-Wulkow, Leiter Immobiliensektor für Deu­tsch­land, Österreich und die Schweiz der Beratungsgesellschaft EY, mahnt deshalb: "Dass In­ves­to­ren bei Immobilienin­vest­ments au­to­matisch auf der sicheren Seite sind, ist auf jeden Fall zu kurz gedacht. Stei­gende Kos­ten­be­las­tungen, etwa durch die CO2-Bepreisung, sowie ein eingeschränkter Spielraum, die Mieten zu erhöhen, sollten unbe­dingt mit bedacht werden."  


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