Was nach dem Ampel-Drama vom Wohngipfel bleibt

Der Wohngipfel bei Kanzler Olaf Scholz war mit dem Ampel-Bruch geplatzt. Bei einem Ersatztreffen im Bauministerium hat das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" Vorschläge für die neue Legislaturperiode gemacht. Proteste gab es vor der Tür.

Der in Hamburg für Dezember geplante Wohngipfel unter der Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde nach dem Bruch der Ampel-Koalition kurzfristig abgesagt. In einer Schmalspurvariante traf sich das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" stattdessen am 5.12.2024 zu einer Spitzenrunde bei Bauministerin Klara Geywitz (SPD) in Berlin.

Die Grünen forderten kurzfristig ein Gesetz für "faire Mieten". Die Linke verlangte einen bundesweiten Mietendeckel. Schnelle politische Lösungen sind mangels deutlicher Mehrheiten im Parlament aber nicht in Sicht. Die Immobilienbranche adressierte klar die neue Bundesregierung. Und Mietervertreter organisierten Demos und Proteste.

GdW: Wohnungsbau braucht Priorität

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW nahm an dem Treffen teil und trug Kritik, aber auch Impulse für die nächste Legislaturperiode vor. "Der Wille war von allen Seiten da", sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. Doch zum einen sei die Bauministerin nicht mit den nötigen Mitteln ausgestattet worden, zum anderen habe vieles zu lange gedauert. So seien etwa die Novelle des Baugesetzbuchs und der Gebäudetyp E in der Schwebe. "Wir hoffen, dass die nächste Regierung – wie sie auch aussehen mag – diese Vorhaben zügig angeht und umsetzt."

Gedaschko lobte die Bundesländer, die ihre Bauordnungen bereits angepasst haben. Bezahlbarer Neubau müsse auch auf Bundesebene schleunigst im notwendigen Umfang ermöglicht werden. "Die Baukosten müssen runter, Standards dürfen nicht weiter verschärft, Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt und Fördermittel gezielt auf das bezahlbare Wohnsegment ausgerichtet werden", forderte der Verbandschef.

Für die kommende Legislaturperiode sei ein eigenständiges Bauministerium mit eindeutigen Kompetenzen für Neubau und Bestandsentwicklung unabdingbar. Nötig sei ein Kurswechsel in der Klimapolitik im Gebäudesektor mit praktikablen und wirtschaftlich tragfähigen Lösungen zur CO2-Reduktion statt immer teureren Effizienzsteigerungen.

IVD: Bündnis bezahlbarer Wohnraum nicht begraben

"Trotz der gravierenden Konstruktionsfehler, wie die Maßgabe der Einstimmigkeit, die die Bündnisarbeit von Anfang an durchkreuzt und blockiert haben, bleibt die Grundidee richtig", sagte Dirk Wohltorf, Präsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD), und mit Blick auf die Zukunft: "Dass das Bündnis mit der Veranstaltung am 5. Dezember praktisch vorzeitig beendet wird, sollte nicht bedeuten, dass es endgültig begraben wird."

Wohltorf sprach sich für eine grundlegende Neukonzeption aus. Ein Bündnis könne nur erfolgreich sein, wenn es von denjenigen getragen wird, die tatsächlich an der Schaffung von Wohnraum arbeiten – also der Bau-, Immobilien- und Wohnungswirtschaft. Würden weiterhin die Interessen aller gesellschaftlichen Stakeholder gleichgewichtet berücksichtigt, sei das Ergebnis nicht Fortschritt, sondern Stillstand oder sogar Rückschritt.

"Wir müssen deshalb mit dem im Bündnis bereits Erreichten zurück auf Start gehen und dabei den Ursprung der Bündnisidee wieder konsequent in den Fokus nehmen: Jede neu geschaffene Wohnung ist gut – solange sie bedarfsgerecht ist", so der IVD-Präsident.

ZIA: Abschied vom baupolitischen Mikromanagement

Das Bündnis hat auch aus Sicht des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) wichtige Impulse für den Wohnungsbau gesetzt. Es sind laut Präsidentin Iris Schöberl ambitionierte Ziele formuliert und erste Fortschritte erzielt worden, von einem echten Durchbruch sei Deutschland allerdings noch weit entfernt. "Jetzt kommt es darauf an, dass wir den Wohnungsbau als Ganzes wieder auf Touren bringen."

Schöberl sprach vor allem überlange Planungs- und Genehmigungszeiten und die gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten an, mit denen bezahlbarer Wohnungsbau kaum umzusetzen sei. Ministerin Klara Geywitz hätte "viel Energie eingesetzt, um durch konstruktiven Dialog im Bündnis etwas zu bewegen". Damit aber das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr realistisch werde, brauche es "mehr politischen Mut, um Abschied vom baupolitischen Mikromanagement zu nehmen“. Wachsende Anforderungen durch DIN-Normen und Vorgaben zur Energieeffizienz sorgten für hohe Baupreise.

Der ZIA forderte starke Signale schon in den ersten 100 Tagen einer neuen Regierung: So zielte Schöberl unter anderem auf die Ausweitung der Sonderregeln im § 246 des Baugesetzbuchs auf den Mietwohnungsbau sowie für eine Überarbeitung des Gebäudetyps E und der Lärmschutz-Auflagen für Gewerbe (TA Lärm) ab.

Grüne wollen Gesetz für faire Mieten

Die Grünen wollen noch in den jetzigen Bundestag einen Gesetzentwurf mit Maßnahmen einbringen, die die Ampel-Koalition nicht mehr umgesetzt hat. So soll etwa die Mietpreisbremse für Neuvermietungen bis 2029 verlängert und Schlupflöcher für Neubauten und möbliertes Wohnen gestopft werden.

Außerdem schlagen die Grünen vor, Mieterhöhungen für alle, die schon länger in der Wohnung leben, auf neun Prozent innerhalb von drei Jahren zu deckeln und an die Inflation gekoppelte Indexmieten stärker zu regulieren. "So können Verdrängung und Entmietung langjähriger Bestandsmieter verhindert werden", betonte die wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion, Christina-Johanne Schröder. Da die Rest-Regierung aus SPD und Grünen keine Mehrheit im Bundestag hat, ist ein Beschluss des Entwurfs vor der Neuwahl am 23.2.2025 aber eher unwahrscheinlich.

Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU), der Vorsitzende der Bauministerkonferenz, drang nach dem Wohngipfel bei Kollegin Geywitz auf eine zuverlässige Finanzierung: "Das Aus der Ampelregierung darf nicht dazu führen, dass die dringend benötigten Gelder für die Wohnraumförderung nicht mehr fließen." Die Fördermittel müssten 2025 trotz vorläufiger Haushaltsführung bereitstehen. Andernfalls wüchsen die Probleme.

Geywitz' Ministerium verwies auf schwierige Rahmenbedingungen mit hohen Zinsen. Doch darauf bekam sie Kritik von fast allen Seiten zu hören: "Wohnungspolitisch ist die Ampel gescheitert", meinte die Linken-Politikerin Caren Lay. FDP-Wohnungsbauexperte Daniel Föst nannte die Bilanz der Ministerin blass und bot bei dem Treffen die Zustimmung zu einem "Bauturbo" – einer Vereinfachung von Wohnungsbau – noch in dieser Legislatur an.

Proteste gegen Wohngipfel: Demos für Mietendeckel

Mietervereine, Mieterinitiativen und mehr als 50 zivilgesellschaftliche Organisationen forderten anlässlich des Wohngipfels bei Klara Geywitz einen bundesweiten Mietendeckel, unterstützt von den Linken. Mieter protestierten in Berlin, Hamburg, Köln, München, Frankfurt am Main und 30 weiteren Städten, darunter die Kampagne Mietenstopp.

Der Deutsche Mieterbund (DMB) zog ein ernüchterndes Fazit zur Regierungsbilanz der Ampel: "Zentrale Vorhaben des Koalitionsvertrags für mehr Mieterschutz hat die Bundesregierung einfach nicht umgesetzt", kritisierte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. Die Wohnungskrise gewinne weiter an Dynamik: "Steigende Mieten, hohe Immobilienpreise, unzureichender Neubau und keine Besserung in Sicht." Das wohnungspolitische Erbe der Ampel habe Auswirkungen auf die kommende Wahlperiode. Das Thema Wohnungs- und Mietenpolitik müsse ganz nach oben auf die politische Agenda im Wahljahr 2025, ansonsten drohten massive soziale Verwerfungen.

In einem offenen Brief appellierte das "Netzwerk Mieten & Wohnen", dem auch der DMB angehört, an die demokratischen Parteien im Bundestag, die Mietpreisbremse um weitere fünf Jahre zu verlängern. Die Kampagne Mietenstopp startete ein Online-Tool für Mieter, mit dem die zuständigen Abgeordneten zur Rettung der Mietpreisbremse aufgefordert werden können.

Bündnis bezahlbarer Wohnraum: Politischer Hintergrund

Mit einem "Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen" rief erstmals das Bauministerium der Großen Koalition unter der Leitung von Dr. Barbara Hendricks (SPD) im Juli 2014 ein zentrales Gremium auf Bundesebene ins Leben.

Die Ampel-Koalition hat 2021 die Einrichtung eines "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" im Koalitionsvertrag vereinbart. Darin setzte sich die Regierung das Ziel, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Das Bündnis wurde am 27.4.2022 mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung konstituiert.

Neben dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sind 35 Mitglieder im Bündnis, darunter auch Vertreter der Immobilienbranche. Dazu kommen sechs beratende Gäste und sechs Mitglieder des Bundestags.

Bei der ersten Spitzenrunde am 12.10.2022 wurden 187 "Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive" beschlossen – mit mäßiger Erfolgsbilanz.

Beim zweiten Treffen am 25.9.2023 boykottierten der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW und der Eigentümerverband Haus & Grund den Krisengipfel aus Enttäuschung über die bisherige Arbeit. Heraus kam dort ein Paket mit 14 neuen Maßnahmen, von dem sich die Immobilienbranche dann doch positiv überrascht zeigte.

14-Punkte- Maßnahmenpaket

BMWSB-Informationen zum "Bündnis bezahlbarer Wohnraum"


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dpa