Kommentar zur Mipim 2024: Das Kind und die Mipim

Was mache ich eigentlich hier in Cannes auf einer so dekadenten Veranstaltung? Mich dafür rechtfertigen, dass ich da bin. Aber, Scherz beiseite, muss ich ja gar nicht, obwohl ich ja wägender Deutscher bin. Die Antwort einer Mutter hat mich gerettet.

Es gibt jede Menge Baustellen auf der Welt. Die vor den Toren des Palais du Festival in Cannes ist sehr real und schon seit drei Jahren da.

Baustelle Mipim

Die in Saudi-Arabien, Neom genannt, ist eine, aus der eine 150 km lange Stadt, nachhaltig etc. entstehen soll. Sie wird auf der Mipim vorgestellt. Die 3D-Animation könnte aus einem Science-Fiction-Film stammen und war schon wegen der Superlative (es kam etwa 20 mal "greatest in the world" vor) beeindruckend. Vielleicht denken Sie, jetzt käme die Überleitung zu den vielen Schildern brachliegender Baustellen, von denen deutsche Manager gerne erzählen. Auf denen steht "Wir sind dann mal weg" oder "Survive till 25". Doch Geschichten davon sind hier auf der Mipim eher schwer zu finden.

Was die "allgemeine Lage" betrifft, so gibt es nicht wirklich Optimismus unter den deutschen Teilnehmern. Da schwebt etwa die große Frage nach den Büros über dem blauen Mipim-Himmel. Viele Unternehmen haben noch welche im Portfolio. Und einige behaupten gar, sie würden daran festhalten. Große Player wie Swiss Life oder die Deka. Da bin ich gespannt. Ich rechne jedenfalls mit riesigen Abschreibungen in den nächsten Jahren, gerade bei Büroportfolien. Die werden dann auch große Auswirkungen auf Banken und Versicherungen haben.

Deutschland im Aufbruch? Moment mal

Klara Geywitz spricht auf der Mipim

Klara Geywitz eröffnete den Berlinstand. Sie sprach von Deutschland als einem jungen Land, mitten im Aufbruch. Da war wohl mehr der Wunsch Vater des Gedankens. Die Menschen allerdings, die hier sind, wollen vielfach tatsächlich etwas bewegen, umstrukturieren und die Basis dafür schaffen, dass man 2025/26/27 (manche sprechen auch von 2030) wieder loslegen kann.

Die, die es sich leisten können, sind antizyklisch unterwegs. Mit denen spreche ich. Wer Geld hat, hat das Heft des Handelns in der Hand. Das zeigt sich hier, ist aber auch nicht wirklich neu. Die anderen suchen das Gespräch mit der Presse nicht, viele sind dieses Jahr gar nicht erst gekommen. Und so ist die Mipim leerer als sonst. Die offizielle Zahl ist noch nicht da. Sie soll bei etwa 20.000 Teilnehmern liegen und ist somit um etwa 5000 geringer als letztes Jahr.

"Diese Leute gehen zur Arbeit"

Wir standen in der Schlange zur Gepäckabgabe. Ein kleines Kind zeigte auf uns und fragte seine Mutter, was denn das alles für Menschen seien. Darauf die Mutter: "Diese Leute gehen zur Arbeit." Da haben Beobachter aus der Ferne zum Teil ein anderes Bild. Dass sie alle zum Feiern gingen, die Leute.

Nein, natürlich nicht, was soll ich auch anderes sagen ich war ja selber da. Die Mipim macht das Spannungsverhältnis deutlich zwischen dem Beigeordneten aus Hannover, der Investoren anlocken will und dem schwerreichen Bestandshalter aus Saudi-Arabien, der Anlageformen sucht. Die Mipim ist schon irgendwie aus der Zeit gefallen, aber das macht sie attraktiv.

Das Bild, das ich mitnehme, ist diffus. Fast alle ausländischen Investoren, mit denen ich sprach, waren der Meinung, Deutschland sei nach wie vor ein interessanter Markt. Einer aber meinte dezidiert, er würde sich aus Deutschland verabschieden. Man könne dort kein Geld mehr verdienen. Er gehe lieber in die USA oder nach Polen. Polen also als der neue sichere Hafen?

MIPIM-Werbung für Polen

Das kann ich mir nicht vorstellen, aber der Messebereich, in dem das Land ausstellt, ist in diesem Jahr so voll, wie ich ihn selten erlebt habe. Kein Zweifel: Das Land mag ein paar kurzfristige Vorteile mehr bieten als Deutschland, aber selbst wenn man Regularien dort später umsetzt: Auch Polen ist Teil der europäischen Regulierungsmaschinerie.

Bei vielen Gesprächen mit Architekten, Handelsimmobilien-Beratern, der Logistikbranche oder auch aus dem Bereich des Parkens stand am Ende unserer Gespräche immer wieder die Aufwertung des Quartiers im Mittelpunkt. Das ist eine Herkules-Aufgabe, die von vielen Seiten her angegangen werden kann. Es gibt große Herausforderungen und zahlreiche Beteiligte, die eingebunden werden müssen. Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, werde ich Stadtplaner.

Der Witz des Schick

Michel Schick hat mir einen Witz erzählt: Gott zeigt einem Franzosen und einem Deutschen das Paradies. Während der Franzose überschwänglich begeistert ist, sagt der Deutsche nichts. Gott fragt: Ist das nicht wunderbar? Der Deutsche: Doch, schon. Aber wie lange noch?

Auf der Mipim kann man wirklich viel lernen.



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