BGH entschied, wie das Kindergeld beim Wechselmodell aufzuteilen ist
Das sog. Residenzmodell bestimmt immer noch den Alltag der meisten Scheidungskinder: Sie leben bei einem Elternteil und besuchen den anderen an bestimmten Tagen, in den Ferien oder am Wochenende. Ein Gegenkonzept dazu ist das Wechselmodell, das vor allem von Besserverdienenden gewählt wird, die sich zwei Familienwohnungen leisten können.
- Hier wohnt der Nachwuchs abwechselnd z. B. im Zwei-Wochen-Rhythmus bei beiden Elternteilen,
- und zwar in einem möglichst gleichberechtigten 50:50-Verhältnis.
Kein Anspruch auf Kindesunterhalt im 50:50-Wechselmodell?
Bei diesem Konzept, das auch Paritätsmodell genannt wird, ist im Grundsatz kein Elternteil berechtigt, vom anderen Kindesunterhalt zu fordern, da beide ihre Unterhalts- und Betreuungspflichten gleichermaßen erfüllen.
- Das Modell ist nicht unumstritten und noch vergleichsweise neu.
- Daher besteht auch in rechtlicher und behördlicher Hinsicht noch viel Unsicherheit, so z. B. was als Hauptwohnsitz des Kindes gilt und was das Kindergeld anbelangt.
Bei der Familienkasse kann immer nur ein Berechtigter für das Kindergeld angegeben werden; kein Gesetz sieht die hälftige Auszahlung an die paritätisch betreuenden Elternteile vor.
Wenn der formal Kindergeld-Berechtigte nicht teilt
Irgend einen Streitpunkt gibt es in Scheidungsfolgesachen fast immer: Was passiert, wenn der Kindergeld-Berechtigte sich weigert, dem anderen seinen Anteil am Kindergeld auszuzahlen, war bisher unklar. Der BGH hat in einem aktuellen Beschluss Licht ins Dunkel gebracht.
BGH splittet Kindergeld in zwei Teile
Ein Mann hatte von seiner Ex-Frau die Hälfte des Kindergeldes für die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder verlangt, die von beiden – bislang ohne Kindesunterhaltszahlungen – paritätisch im Wechselmodell betreut wurden. Der BGH gab dem Antragsteller dem Grunde nach recht.
Der Anspruch auf Auskehrung eines Teils des Kindergeldes könne, solange kein unterhaltsrechtlicher Gesamtausgleich zwischen den unterhaltspflichtigen Eltern besteht, grundsätzlich isoliert geltend gemacht werden.
Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs
Der Anspruch auf anteiliges Kindergeld ist laut BGH Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs. Mit diesem können auch solche staatlichen Leistungen ausgeglichen werden, die nur einem Elternteil tatsächlich ausbezahlt werden, jedoch beiden Ex-Partnern zur Erleichterung des Kindesunterhalts zugutekommen sollen.
Kindergeld bezieht sich auf Barbedarf und Betreuungsunterhalt
Die BGH-Richter unterschieden beim Kindergeld zwischen Barbedarf und Betreuungsunterhalt:
- Der auf den Betreuungsunterhalt entfallende Anteil am Kindergeld steht bei einem echten Wechselmodell beiden Elternteilen wegen der gleichwertig erbrachten Betreuungsleistungen jeweils hälftig zu. Unabhängig von seinem Einkommen kann ein Elternteil vom kindergeldberechtigten Ex-Partner immer die Auskehrung eines Viertels – also die Hälfte des auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Teil des Kindergelds – verlangen.
- Wohl eine Rolle spielen die Einkünfte der beiden Elternteile, wenn es um die Anrechnung des Kindergeldes auf den Barbedarf des Kindes nach § 1612b Abs. 1 BGB geht. Trägt der schlechter verdienende Ex-Partner unterhaltsrechtlich nichts bei, kommt der auf den Barunterhalt entfallende Anteil des Kindergeldes allein dem leistungsfähigen Elternteil zugute.
Wer die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils verlangt (siehe Nr. 2), muss die Anteile der Eltern am Barunterhalt darlegen und beweisen. Dazu sind die Einkommensverhältnisse beider Seiten offenzulegen. Rückwirkend kann der Anspruch nur ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden, zu dem die Gegenseite zur Zahlung aufgefordert wurde (vgl. § 1613 Abs. 1 BGB).
(BGH, Beschluss v. 20.04.2016, XII ZB 45/15)
Praxishinweis: Eine gerichtliche Auseinandersetzung, wie im Fall geschehen, widerspricht an sich dem Paritätsmodell, bei dem ein gewisses Maß an Einvernehmen und Vertrauen bestehen muss, damit es funktioniert. Wer dieses Modell lebt, sollte daher eher auf außergerichtliche gemeinsame Lösungen setzen.
Ansätze, die beiden Ex-Partnern Rechnung tragen, gibt es reichlich. Wenn die Partner unterschiedlich verdienen, könnten z. B. die Kosten für die Kinder nach der Einkommensquote aufgeteilt werden: Tragen die Partner im Verhältnis 60 : 40 zum Gesamteinkommen der Familie bei, könnten auch die Kinderkosten so aufgeteilt werden.
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