Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments
In einem Verfahren vor dem OLG Hamm ging es um die Beschwerde einer Erbin gegen die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers.
Gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet
Die im Jahre 2014 verstorbene 93-jährige Erblasserin hatte im Jahre 1997 mit ihrem Ehemann ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet.
- Dort setzten sich die Eheleute wechselseitig als Erben des Erstversterbenden ein.
- Darüber hinaus bestimmten sie: „Nach dem Tod des Letztversterbenden soll die gesetzliche Erbfolge eintreten“.
Aus der Ehe waren zwei Töchter hervorgegangen. Nach dem Tod des Ehemannes, der zuletzt als Botschafter in Marseille tätig war, ordnete die Erblasserin im Jahre 2013 in einem weiteren Testament die Testamentsvollstreckung an. Nach dem Tod der Ehefrau ernannte darauf das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker.
Tochter geht gegen Testamentsvollstreckung vor
Eine der Töchter war mit der Testamentsvollstreckung nicht einverstanden und legte gegen die gerichtliche Anordnung Beschwerde ein. Zur Begründung verwies sie darauf, die Anordnung der Testamentsvollstreckung beeinträchtige ihre Rechtsstellung als Schlusserbin. Die Beschwerde der Tochter blieb über zwei Instanzen erfolglos.
Formulierung objektiv mehrdeutig
Das zweitinstanzlich mit der Sache befasste OLG beschäftigte sich eingehend mit den von den Eheleuten gewählten Formulierungen des gemeinsamen Testaments aus dem Jahre 1997. Im Gegensatz zur Beschwerdeführerin kam der Senat zu dem Ergebnis, der testamentarische Hinweis auf die gesetzliche Erbfolge nach dem Tod des Letztversterbenden beinhalte weder ausdrücklich noch nach ihrem Sinn zwingend eine Einsetzung der Töchter zu Schlusserben. Objektiv könnten die Formulierung verstanden werden als
- Erbeinsetzung nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge,
- als deklaratorische Anerkennung des gesetzlichen Erbrechts
- oder als Abstandname von der Einsetzung testamentarischer Erben.
Der wirkliche Wille des Erblassers ist entscheidend
Da die gewählte Begrifflichkeit nach Auffassung des Gerichts nicht eindeutig war, legte das Gericht das Testament aus. Zu erforschen war nach Auffassung des Senats der wirkliche Wille des Erblassers. Entscheidend für die Erforschung des wirklichen Willens seien
- in erster Linie der Wortlaut des Testaments,
- das subjektive Verständnis des Erblassers hinsichtlich der von ihm verwendeten Begriffe,
- das gesamte Verhalten des Erblassers im Zusammenhang mit der Testamentserrichtung.
Töchter im Testament nicht erwähnt
Bei der Auslegung des Testaments nach diesen Grundsätzen fiel dem Senat zunächst die überdurchschnittliche sprachliche Qualität der gemeinschaftlichen Verfügung auf. Dies entspreche der beruflichen Laufbahn des verstorbenen Ehemannes, der als Beamter des gehobenen Dienstes im Auswärtigen Amt, später als Konsul und schließlich als Botschafter in Marseille tätig gewesen sei. Aufgrund dessen sei davon auszugehen, dass der Erblasser auch juristisch nicht ungebildet gewesen sei. Zumindest die Grundzüge des Erbrechts dürften ihm nach Auffassung des Senats geläufig gewesen sein. Hieraus zog der Senat den Schluss, dass der Erblasser, hätte er eine Erbeinsetzung seiner Töchter als Schlusserben gewollt, dies klar formuliert hätte. Der Hinweis auf die gesetzliche Erbfolge wirke demgegenüber deutlich zurückgenommen und distanziert. Die beiden Töchter seien in dem gemeinschaftlichen Testament nicht einmal erwähnt worden, was aber nahe gelegen hätte, hätten diese als Schlusserben eingesetzt werden sollen.
Die weitere testamentarische Verfügung der Ehefrau war rechtens
Nach alledem kam der Senat zu dem Ergebnis, dass nach der Formulierung des gemeinschaftlichen Testaments der überlebende Ehegatte frei darin bleiben sollte, weitere abweichende letztwillige Verfügungen zu treffen.
Theoretisch wäre es dem überlebenden Ehegatten nach der gewählten Formulierung auch möglich gewesen, beispielsweise durch Adoption weitere Erben in die gesetzliche Erbfolge einzubeziehen.
Damit sei die gewählte Formulierung dahingehend auszulegen, dass diese einen bloßen Verweis auf die von Gesetzes wegen eintretende Erbfolge enthalte.
An der Errichtung eines weiteren Testaments und der Anordnung einer Testamentsvollstreckung war die Erblasserin nach Auffassung des Gerichts damit nicht gehindert. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung war damit rechtmäßig.
(OLG Hamm, Beschluss v. 11.9.2015, 15 W 142/15).
Vgl. zu dem Thema auch:
- zum gemeinschaftlichen Testament
Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag - Vor- und Nachteile
Folgen einer Scheidung für ein gemeinschaftliches Testament
- zu Auslegungen und Unklarheiten
Keine Auslegung eines widersprüchlichen und völlig unklaren Testaments
Mündliche Erklärungen des Erblassers
und
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