Wohnimmobilien: Bestandsobjekte dominieren Investmentmarkt

Deutsche Wohnimmobilien bleiben ein beliebtes Anlagevehikel. Investoren suchen derzeit aber fast ausschließlich Bestandsobjekte – bei Forward Deals und im Neubau gibt es kaum Transaktionen, wie Maklerhäuser beobachten.

In den ersten neun Monaten 2023 haben institutionelle Investoren nach Zahlen von Colliers knapp sechs Milliarden Euro mit Wohnimmobilien umgesetzt – das sind 48 Prozent weniger als vor einem Jahr (11,4 Milliarden Euro). CBRE kommt in dem Zeitraum sogar nur auf ein Transaktionsvolumen von 4,4 Milliarden Euro, was in dieser Rechnung ein Minus von 60 Prozent bedeutet. Savills geht von rund fünf Milliarden Euro aus (Transaktionen ab 50 Wohnungen), das sind 51 Prozent weniger.

Mehr als die Hälfte (55 Prozent) des Gesamtumsatzes machten laut Colliers Portfoliodeals aus, Savills rechnet mit 68 Prozent des Transaktionsvolumens. Laut einer Analyse von BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) wurden im bisherigen Jahresverlauf bundesweit 3,92 Milliarden Euro in größere Wohnungsbestände (ab 30 Einheiten) investiert. Damit wurde das Vorjahresergebnis um 62 Prozent unterschritten. Eine Studie von JLL kommt auf ein Transaktionsvolumen von 5,9 Milliarden Euro und damit ein Minus von 42 Prozent.

Großdeals bestimmen den Wohninvestmentmarkt

Der Löwenanteil aller Transaktionen entfiel laut Colliers mit 48 Prozent auf die deutschen "Top 7"-Städte; mit einer starken Konzentration auf Berlin (eineinhalb Milliarden Euro) und München (762 Millionen Euro). CBRE zufolge sind in Großdeals rund 100 Millionen Euro geflossen, 65 Prozent des Gesamttransaktionsvolumens.

Laut BNPPRE hatten die sieben Metropolen einen Anteil von 61 Prozent am Gesamtumsatz: Nach diesen Zahlen steuert allein Berlin 1,29 Milliarden Euro (33 Prozent) bei. München überzeugt mit einem Umsatzanteil von 18 Prozent (rund 691 Millionen Euro). Hamburg, Frankfurt am Main, Köln und Düsseldorf kommen jeweils auf Umsatzanteile im einstelligen Prozentbereich.

CBRE sieht 1,2 Milliarden Euro (28 Prozent) des Transaktionsvolumens bei den Forward Deals, also bei Verkäufen von im Bau befindlichen Projekten. Nach der BNPPRE-Studie gab es mit einem Anteil von 23 Prozent überdurchschnittlich viele mittelgroße Deals (50 bis 100 Millionen Euro) – das Segment trug rund 886 Millionen Euro zum Umsatz bei – und nur geringe Investitionsaktivitäten im großvolumigen Bereich (mehr als 100 Millionen Euro). Das Segment kommt zwar auf einen Umsatzanteil von 42 Prozent, absolut betrachtet ist das kumulierte Volumen von 1,66 Milliarden Euro im langjährigen Vergleich aber gering. JLL registriert im kleinsten Segment (weniger als 20 Millionen Euro) einen Umsatzanteil von knapp 60 Prozent.

Mangel an Neubau beflügelt Umsätze im Bestand

Die Nachfrage der Profianleger begrenzt sich nach Beobachtung von Colliers überwiegend auf den Wohnungsbestand. Laut BNPPRE stieg der Anteil von modernen Bestandsimmobilien allein im dritten Quartal 2023 auf überdurchschnittliche 16 Prozent; ältere Bestandsobjekte trugen 36 Prozent zum Gesamtvolumen bei – zum einen, um Risiken im Portfolio zu reduzieren, zum anderen aus Mangel an neuen Produkten sind Investoren aktuell in diesem Segment besonders aktiv.

Zur rückläufigen Transaktionstätigkeit auf Gesamtjahressicht beigetragen hat laut JLL gerade das Ausbleiben von Forward Deals: Der Anteil am deutschen Wohninvestmentmarkt lag laut dieser Analyse in den vergangenen fünf Jahren bei rund 25 Prozent und in den ersten drei Quartalen 2023 nur noch bei 7,3 Prozent. Gemäß Savills entfielen im bisherigen Jahresverlauf rund 20 Prozent des Volumens auf Forward Deals (Vorjahr: 36 Prozent).

Das Trend-Segment Mikrowohnen zeigte sich im dritten Quartal 2023 laut Colliers eher verhalten, auch durch die im Sommer aufgekommene Diskussion um mögliche Mietregulierungen von möblierten Wohnungen. Diese Unsicherheit resultiert in einem Anstieg der Spitzenrendite um 20 Basispunkte auf aktuell vier Prozent in den "Top 7"-Städten. Viele Investoren beabsichtigen jedoch perspektivisch Investments in diesem Segment.

Renditen: Anstiege bei Forward Deals und Projekten

Bei Forward Deals und Neubauprojekten ist auch in der Studie von Colliers kaum Transaktionstätigkeit zu sehen. Die Preisvorstellungen der Verkäufer seien zu ambitioniert, Grund seien ESG-Konformität und hohe Herstellungskosten, heißt es in dem Marktbericht. Dort, wo die Verkäuferseite bereit scheint, preisliche Abstriche zu machen, beobachtet der Immobilienberater bei den Forward Deals einen Anstieg bei der Rendite auf 3,8 Prozent in den "Top 7"-Städten und 4,3 Prozent an anderen Standorten.

Laut CBRE lag die Spitzenrendite Ende des dritten Quartals 2023 bei Wohnimmobilien insgesamt bei 3,14 Prozent und damit 0,73 Prozentpunkte über dem Vorjahreszeitraum. BNPPRE sieht die Netto-Spitzenrenditen für Neubauobjekte im dritten Quartal 2023 moderat zwischen zehn und 15 Basispunkten steigen: München sei nach wie vor der teuerste Standort (3,45 Prozent). Dahinter rangieren Berlin und Frankfurt am Main bei 3,5 Prozent sowie Hamburg und Stuttgart bei 3,55 Prozent. Für Düsseldorf und Köln, die beiden günstigsten Metropolen, werden bei BNPPRE aktuell 3,65 Prozent angesetzt.

Die Ankäufe einiger Eigenkapitalkäufer haben nach Angaben von Savills dafür gesorgt, dass die Spitzenrendite für Mehrfamilienhäuser (ab 50 Einheiten) weiter unter der Vier-Prozent-Marke blieb.

Einbruch im Neubau: Mieten steigen deutlich

Das Mietwachstum hat sich laut Colliers in den ersten neun Monaten 2023 noch einmal beschleunigt. In den "Top 7" stiegen die Angebotsmieten im Bestandssegment und im Neubausegment um rund sechs Prozent.

Im Bestand lagen die Wohnungsmieten, mit Ausnahme von Frankfurt am Main (minus ein Prozent), in allen Metropolen im dritten Quartal 2023 höher als Ende 2022. Das größte Plus weist mit sieben Prozent Berlin auf, vor Hamburg (vier Prozent) und München (drei Prozent). Im Neubausegment erhöhten sich die Mieten seit Januar 2023 mit 15 Prozent in Düsseldorf am stärksten, in Berlin stand Ende September ein Plus von vier Prozent bei den Neubaumieten zu Buche.

Am Nutzermarkt verschiebt sich laut Savills die Angebots-Nachfrage-Relation immer mehr zugunsten der Vermieter. Angesichts der für Investoren günstigen Fundamentaldaten erwartet Savills über kurz oder lang wieder eine Belebung des Wohninvestmentmarktes.

Wohninvestmentmarkt: Positives Momentum noch 2023?

Das Interesse von institutionellen Investoren an Wohnimmobilien ist weiterhin hoch. Colliers erwartet nach dem schwachen dritten Quartal bis zum Jahresende 2023 eine Marktbelebung und hält ein Gesamtjahresergebnis im Bereich von mehr als zehn Milliarden Euro für möglich. CBRE erwartet nach Ablauf des vierten Quartals ein Investitionsvolumen von nur fünf bis sechs Milliarden Euro am deutschen Wohnimmobilientransaktionsmarkt.

"In Erwartung eines Finanzierungsumfelds mit höherer Planungssicherheit und einer konjunkturellen Erholung dürften in der ersten Jahreshälfte 2024 die Umsätze zunächst leicht zulegen, bevor es in der zweiten Jahreshälfte zu einer deutlichen Belebung am deutschen Wohninvestmentmarkt kommt", heißt es bei BNPPRE.

Setze sich die Renditedekompression fort – in den ersten neun Monaten 2023 sind die Spitzenrenditen in den "Top 7" im Schnitt um rund 60 Basispunkte gestiegen –, werde die Attraktivität von Wohninvestments weiter zunehmen, meint JLL. Savills geht davon aus, dass es im vierten Quartal 2023 wieder mehr Transaktionen geben wird, das Transaktionsvolumen aber deutlich unter zehn Milliarden Euro liegen werde – damit wäre es das niedrigste Transaktionsvolumen seit 2011.


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dpa

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