Lieferkettengesetz: Das betrifft Immobilienunternehmen

Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – kurz Lieferkettengesetz – haben auch viele Immobilienunternehmen zu tun. Welche Herausforderungen es gibt und wie die Pflichten kosteneffizient umgesetzt werden können, hat ein Experten-Panel geklärt.

Als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) am 1.1.2023 in Kraft trat, galt es zunächst für Unternehmen ab 3.000 Beschäftigten. Seit dem 1.1.2024 gilt das Lieferkettengesetz, wie es kurz genannt wird, für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern. Ziel ist es, die Menschenrechte und den Umweltschutz zu stärken. Auch die Immobilienbranche muss Sorgfaltspflichten beachten.

Welche Probleme und Herausforderungen das LkSG mit sich bringt – und welche Möglichkeiten es gibt, um den Anforderungen umfassend und kosteneffizient nachzukommen –, unter anderem darüber haben auf einem von Rueckerconsult organisierten Experten-Panel Dr. Annette Mutschler-Siebert (Partnerin in der Rechtsanwaltskanzlei K&L Gates in Berlin), Tobias Gries (Partner der Abteilung Real Estate im Berliner Büro von K&L Gates), Dr. Thomas Mielke (Geschäftsführer bei Metroplan) und Hanna Ritter (Senior Director ESG bei Reicon Consulting) diskutiert.

Kleinere Unternehmen können indirekt vom LkSG betroffen sein

"Neben der unmittelbaren gibt es auch eine mittelbare Anwendbarkeit des Gesetzes", betonte Mutschler-Siebert. "Auch kleine Unternehmen können indirekt von dem LkSG betroffen sein, etwa wenn sie Teil einer Lieferkette eines Unternehmens mit mindestens 1.000 Mitarbeitern sind."

Dieses Unternehmen könne dann verlangen, dass die gesetzlichen Anforderungen auch in den nicht direkt betroffenen Unternehmen erfüllt werden und die Einhaltung dokumentiert wird. Entscheidend sei dabei, dass es keine "one size fits all"-Lösung für alle gebe – das LkSG erkennt an, dass verschiedene Unternehmensgrößen, Tätigkeitsbereiche und Organisationsformen unterschiedliche Maßnahmen erfordern –, vielmehr müsse jedes Unternehmen für sich die individuell relevanten Risiken ermitteln und (nur) für diese angemessene Vorkehrungen treffen.

Lieferkettengesetz: Akteure von Makler bis Immobilieneigentümer

Dazu kommt: Der Begriff Lieferkette ist weit gefasst. "Der erste Gedanke, von dem man sich verabschieden muss, ist die Idee, dass sich das Gesetz lediglich auf den Handel mit Waren bezieht", sagte Gries. Im Gegenteil: Unter die Lieferkette fallen alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens sowie alle Aktivitäten, die zu deren Herstellung und Erbringung erforderlich sind.

Als Akteure innerhalb der Lieferkette können laut dem K&L Gates-Partner auch Dienstleister wie Makler, Facility Manager, Property Manager und Asset Manager gefasst werden, ebenso wie Eigentümer, Projektentwickler, Vermieter und Verkäufer. "Alles, was Sie sich als Rolle in der Immobilienwirtschaft vorstellen können, kann potenziell auch Teil der Lieferkette sein und damit direkt oder indirekt von dem Gesetz betroffen sein", so Gries.

Verstöße gegen die Sorgfalts- und Berichtspflichten werden hart sanktioniert – mit Bußgeldern in Höhe von bis zu acht Millionen Euro. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von durchschnittlich mehr als 400 Millionen Euro drohen Strafen von bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes. Außerdem können Unternehmen bis zu drei Jahre von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Know-how durch Risikoanalyse und Code of Conduct

"Betroffene Unternehmen fürchten insbesondere die möglichen Sanktionsmaßnahmen und wollen sich daher um jeden Preis und in jeglicher Hinsicht absichern, was oft zu einer Art Overdoing führt", erklärte Ritter von Reicon Consulting. Die mittelbar und unmittelbar betroffenen Unternehmen wiederum fühlten sich aufgrund fehlenden Know-hows und der Abwälzung auf sie oft überfordert und klagten über zu viel Bürokratie. Das betreffe beispielsweise Nachunternehmergruppen im Bau und der Immobilienbewirtschaftung wie Facility Manager oder kleinere Handwerksbetriebe.

Ein Hauptproblem sei, dass in der Anwendung des Gesetzes die Risikoanalyse der betroffenen Unternehmen nicht sinngemäß durchgeführt werde. "Es wird vorab nicht immer genau geprüft, ob in diesem Teil der Lieferkette überhaupt Risiken bestehen", so Ritter. Das betrifft etwa die umfangreichen Fragebögen, die viele kleine und mittlere Unternehmen erhalten, die aber keine Relevanz hätten, da sie nicht auf die Leistungen des jeweiligen Lieferanten zugeschnitten seien. Für nachgelagerte Unternehmen entstehe ein immenser Aufwand, der im schlimmsten Fall dazu führen könne, dass Dienstleister keine Zusammenarbeit mehr eingehen wollten.

Für eine angemessene Anwendung des Gesetzes sei es zwingend notwendig, die Bürokratie für Nachunternehmergruppen so gering wie möglich zu halten. Ritter plädierte für eine ordentliche Risikoanalyse, also Risiken detaillierter zu definieren, die Fragebögen anzupassen und weniger umfangreich zu halten, um Nachunternehmer nicht zu überfordern. Auch einen Code of Conduct, der das gewünschte Verhalten der Lieferanten mit Blick auf Nachhaltigkeitsziele und -werte, Compliance sowie Prävention von Korruption und Bestechung beinhaltet, empfahl die Expertin.

Digitale Lösungen: Zur Umsetzung der Maßnahmen empfohlen

Metroplan-Geschäftsführer Mielke ergänzte: "Es wird nicht erwartet, dass extra neue Mitarbeiter eingestellt werden, die sich ausschließlich um die Einhaltung des Gesetzes kümmern. Vielmehr geht es darum, die Sorgfaltspflichten in die bestehenden Geschäftsprozesse zu integrieren – und zwar in einem verhältnismäßigen und zumutbaren Rahmen." Am einfachsten sei es, die erforderlichen Maßnahmen in ein bestehendes digitales Lieferantenmanagementsystem einzupflegen oder direkt im Rahmen der Digitalisierungsstrategie zu implementieren.

Auch bei der Dokumentation und der jährlichen Berichterstattung sei entscheidend nachzuweisen, dass man einen Prozess habe, mit dem man systematisch nach Verstößen suchen könne. "Die Unternehmen müssen zeigen, dass sie die Lieferanten im Blick haben und die kritischen Lieferanten eng beobachten oder Verbesserungsmaßnahmen mit ihnen abstimmen", so Mielke.

Offene Frage: Vermietung als Teil der Lieferkette?

Eine Frage, die laut Ritter sowohl viele Vermieter als auch Mieter beschäftigt, ist diejenige, ob die Vermietung von Büro- oder Produktionsflächen Teil der Lieferkette sei. "Per deutschem Gesetz ist die Beziehung zum Endkunden eines Unternehmens nicht Teil der Lieferkette, weil der Kunde für den Herstellungsprozess nicht erforderlich ist", so die Reicon-Expertin.

Aus Sicht des Vermieters sei die Vermietung also nicht Teil von dessen Lieferkette, weil die Vermietung unmittelbar die Leistung des Vermieters an seinen Endkunden darstelle. Aus Sicht des Mieters sei der Vertrag hingegen meist Teil von dessen Lieferkette, sodass der Vermieter doch von dem Gesetz betroffen ist.

Rechtsanwalt Gries pflichtete Panel-Kollegin Ritter bei: "Wenn ein Mieter etwa ein Werk auf einem Grundstück betreibt, so ist dieses Grundstück Teil der Lieferkette." Man werde sich also mit dem Gedanken anfreunden müssen, auch als Eigentümer Teil einer Lieferkette zu sein. Letztlich komme es aber auf den Einzelfall an.

Bußgelder: Bis zu acht Millionen Euro

Kommen Unternehmen den gesetzlichen Pflichten nicht nach, können Bußgelder verhängt werden. Darauf wiesen die Partner von K&L Gates auf dem Panel hin. Diese können bis zu acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen. Der umsatz­bezogene Bußgeldrahmen gilt nur für Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz. Außerdem ist es bei einem verhängten Bußgeld ab einer bestimmten Mindesthöhe möglich, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen zu werden.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA) setzt das Lieferkettengesetz seit dem 1.1.2023 um und hat weitgehende Kontrollbefugnisse. Die Behörde kann Geschäftsräume betreten, Auskünfte verlangen, Unterlagen einsehen und Unternehmen auffordern, konkrete Handlungen zur Erfüllung der Pflichten vorzunehmen. Auch Zwangsgelder können verhängt werden.

Deutsches Lieferkettengesetz vs. EU-Version

Die EU-Staaten haben das europäische Lieferkettengesetz am 24.5.2024 endgültig beschlossen. Die EU-Regelung geht teilweise über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus, etwa mit Blick auf die Haftbarkeit von Unternehmen.

Wie Rechtsanwältin Mutschler-Siebert auf Nachfrage erklärte, gibt es im LkSG explizit keine zusätzliche zivilrechtliche Haftung bei Verstoß die Vorgaben, sondern es sind "nur" Bußgelder und andere Konsequenzen vorgesehen - etwa der Ausschluss von öffentlichen Auftragsvergaben. Die allgemeine zivilrechtliche Haftung bei einem Verstoß gegen zum Beispiel eine umweltrechtliche Vorgabe, die einem Unternehmen zurechenbar ist, bleibt aber bestehen. Die europäische Regelung will hingegen auch zivilrechtliche Ansprüche aufgrund eines Verstoßes gegen die darin geregelten Sorgfaltpflichten zulassen.

Sonst sind die neuen EU-Vorgaben im Verhandlungsprozess noch abgeschwächt worden: Ursprünglich sollten bereits Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten betroffen sein, das wurde auf 1.000 Mitarbeiter erhöht – es gilt dafür aber eine Übergangsfrist von fünf Jahren: Nach drei Jahren sollen zunächst Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten in die Pflicht genommen werden, nach vier Jahren sinkt die Grenzen auf 4.000 Mitarbeiter. Es sollen Aufsichtsbehörden benannt werden, die den Unternehmen auf die Finger schauen und auch Strafenverhängen können, wenn diese sich nicht an die Vorschriften halten. Die EU-Staaten haben nach Veröffentlichung der EU-Richtlinie zwei Jahre Zeit, die europäische Neuregelung in nationales Recht umzusetzen.


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Schlagworte zum Thema:  Gesetz, Immobilienunternehmen