Höhere Effizienz durch Viertagewoche? "Es funktioniert!"
Herr Schwaiger, ganz im Sinne eines "Vorher-nachher-Effekts": Wie war die Stimmung vor Einführung der Viertagewoche, und wie schätzen Sie die Situation nun ein?
Michael Schwaiger: Ich würde sagen, wir haben durch die Viertagewoche noch mehr zueinander gefunden. Das Schwaiger-Team hat eine überschaubare Größe von aktuell zwölf Mitarbeitenden. Und dennoch drehen wir mit rund 500 Millionen Assets under Management das große Rad. Das erfordert von allen einen hohen Arbeitseinsatz, Leidenschaft und volles Commitment.
Als Unternehmer bin ich immer vor die Herausforderung gestellt, einen guten Ausgleich für den Einsatz herzustellen. Natürlich kann man viel durch das Gehalt und andere Benefits wie Dienstwagen und geldwerte Vorteile ins Lot bringen. Aber eben nicht alles. Die Viertagewoche gibt jedem aus dem Team etwas, das sich nicht durch Sachwerte aufwiegen lässt und bei wirklich jedem einen positiven Impact auf die Arbeitsleistung hat. Einen erholten, fokussierten Arbeitnehmenden, der mit Leidenschaft konzentriert vier Tage pro Woche alles für seine Projekte rausholt, kann man nicht durch einen Dienstwagen oder ein paar Tausend Euro mehr auf dem Konto erkaufen. Dieser eine Tag pro Woche für Familie, Ehrenamt, Sport oder einfach Freizeit und Erholung schafft das aber schon.
Wer Leistung will, muss für die Erholung sorgen. Das fällt in unsere Fürsorgepflicht. Michael Schwaiger, CEO der Schwaiger Group
Geben Sie uns ein paar Einblicke, wie es zur Einführung kam? Wie kam es dazu, den Freitag für alle einzuführen, anstatt die Arbeitszeiten der Mitarbeitenden zu verteilen, sodass trotzdem jeder Tag besetzt ist?
Schwaiger: Wir führen mit unseren Mitarbeitenden schon seit Jahren einen institutionalisierten Dialog darüber, was sie brauchen, um gut arbeiten zu können. Wir wollen zuhören und versuchen, die sich stetig verändernden Bedürfnisse zu sehen. Wir kommen aus der Überzeugung, dass wir individuelle Antworten und Lösungen für individuelle Anforderungen und Bedürfnisse brauchen. Was wir als Projektentwickler von Bürokonzepten kennen, gilt auch für Arbeitsweisen. Während der Pandemie beobachteten wir, wie die Arbeitsbelastung bei allen spürbar anstieg. Das war nur zum Teil durch ein höheres Arbeitspensum begründet.
Aber dennoch war es uns wichtig, hier deutlich gegenzusteuern. Noch mehr Flexibilität in der Arbeitszeit hätte unseren Angestellten eventuell noch mehr an wirklichen Arbeitspausen genommen. Denn uns war klar, dass das Problem eher darin liegt, dass es unseren Mitarbeitenden zunehmend schwerfällt, dem Kopf einen Riegel vorzuschieben – auch wenn er genauso Pausen braucht wie der Körper auch. Wer Leistung will, muss für die Erholung sorgen, dachten wir. Das fällt in unsere Fürsorgepflicht. Also dachten wir über eine Streichung des Freitags nach. Für uns naheliegender als für andere Unternehmen, da wir am Freitag schon immer nur halbtags arbeiten. Die meisten externen Termine und großen Aufgaben haben schon in der Vergangenheit immer von Montag bis Donnerstag stattgefunden. Die Überlegung und die Entscheidung wurden top-down gefällt, der Bedarf kam bottom-up, wenn man so will.
Wie sind Sie das Change Management angegangen?
Schwaiger: Wir haben uns eine Probephase von drei Monaten gesetzt, in der wir genau beobachten und experimentieren wollten, was wir ändern müssen, damit es für alle funktioniert. Dafür haben wir uns einmal pro Woche zusammengesetzt und einander zugehört. Diese "Experimentierphase" war rückblickend meines Erachtens der Schlüssel zum Erfolg, weil allen daran gelegen war, dass es uns als Unternehmen gelingt.
Haben Sie, Frau Bauer, Ihre Arbeitsweise grundlegend verändert und die Mitarbeitenden begleitet?
Jessica Bauer: Wir achten seither definitiv alle noch mehr auf Zeitfresser. Bestes Beispiel: Unser wöchentlicher Jour fixe sowie andere Meetings sind klar mit Agenda vorstrukturiert. Die Uhr läuft, und wenn die Zeit um ist, wird das Meeting beendet – ohne Wenn und Aber. Das verlangen wir uns gegenseitig ab. Die Zeit an den verbleibenden vier Arbeitstagen ist für alle noch kostbarer geworden.
Unser Workload war 2022 deutlich größer als in den vergangenen Jahren, wir haben personell nicht aufgestockt – und dennoch haben wir es geschafft, unsere Arbeit mit einem Tag weniger Einsatz erfolgreich zu bewältigen. Jessica Bauer, Technical Project Consultant der Schwaiger Group
Hat sich Ihre Führung verändert?
Schwaiger: Ja, der Transformationsprozess, den die Einführung der Viertagewoche angestoßen hat, hat auch unser Rollenverständnis im Unternehmen beeinflusst. Wir agieren im Team noch mehr auf Augenhöhe. Wir hatten zwar schon vorher kaum hierarchische Stufen. Leadership war nie Aufgabe von wenigen, sondern eher auf viele Schultern verteilt. Die Viertagewoche nimmt allerdings gefühlt alle in Führungsverantwortung. Experten nennen das "Shared Leadership". Bei uns wird faktisch Führungsverantwortung von mehr oder weniger allen Mitarbeitenden übernommen. Die formale Führungskraft übernimmt eher Aufgaben der Koordination.
Wie darf man sich jetzt den Workload vorstellen? Bleibt der Arbeitsaufwand der gleiche, wird nur auf mehrere Tage oder Wochen gestreckt oder haben Sie zusätzliche Teammitglieder eingestellt?
Schwaiger: Das ist das Spannendste an der ganzen Sache: Die Viertagewoche stellt eine an sich völlig logische Gewissheit infrage, die da heißt: "Wenn oben weniger Arbeitszeit reingesteckt wird, muss unten auch weniger Leistung rauskommen." Auch wir hatten natürlich Sorge, ob wir den wegfallenden halben Freitag durch eine höhere Effizienz in den verbleibenden vier Tagen kompensieren können. Wir waren aber grundsätzlich offen dafür, weil verschiedene Versuche und Studien bereits zu positiven Ergebnissen gekommen waren. Und jetzt sagen wir: Es funktioniert!
Bauer: Unser Workload war 2022 deutlich größer als in den vergangenen Jahren, wir haben personell nicht aufgestockt – und dennoch haben wir es geschafft, unsere Arbeit mit einem Tag weniger Einsatz erfolgreich zu bewältigen. Natürlich haben wir unser Zeitmanagement angepasst und prüfen mehr denn je, wie wir Prozesse anders gestalten können, damit es uns noch besser gelingt, zielführend zu handeln. Aber ein Großteil lässt sich nicht durch Effizienzmaßnahmen erklären. Ich glaube, dass wir besser geworden sind, weil Zufriedenheit und Wertschätzung zugenommen haben und dadurch mit noch mehr Hingabe und Engagement gearbeitet wird. Auch die Beziehungen im Team und unsere Arbeit als solche haben irgendwie an Qualität gewonnen. Anders kann ich es nicht sagen.
Wenn jemand von Montag bis Donnerstag statt bis 17 Uhr bis 19 Uhr ranklotzt, um den Freitag freizumachen, dann ist das nicht im Sinne des Erfinders. Michael Schwaiger
Sie zitieren Ihre Mitarbeiterumfrage, dass sich die Produktivität gesteigert hat. Hat sich der Umsatz gesteigert, gibt es mehr Projekte?
Schwaiger: Unsere Arbeit ist wie das ganze Projektgeschäft im Immobilienmarkt natürlich von vielen externen Faktoren abhängig. Ich kann also nicht unbedingt sagen, dass die Viertagewoche zu mehr Projektgeschäft geführt hat. Allerdings hatten wir im letzten Jahr einen Run im Vermietungsgeschäft, weil wir mit unseren Revitalisierungsprojekten mehr denn je die aktuelle Nachfrage bedienen: ein Maximum in Sachen Energieeffizienz, regenerative Energien in der Versorgung und smarte Gebäudevernetzung. Wir hatten eine überdurchschnittliche Vermittlungsquote und damit auch Aufwand im mieterspezifischen Ausbau.
Bauer: Während mein Team und ich in den vergangenen Jahren immer um die 5.000 bis 7.000 Quadratmeter mieterspezifischen Ausbau verantworten mussten, waren es im letzten Jahr mehr als 10.000 Quadratmeter. Zeitweise war es echt happig. Das Pensum stieg mehr oder minder in allen Abteilungen. Es gab auch insgesamt vier Freitage, an denen ich ranmusste, weil es auf den Baustellen schnellen Schrittes weiterging und ich wusste, dass wir das besser nicht in die nächste Woche mitnehmen. Deshalb nennen wir den Freitag ja auch "Flexible Friday". Es kommt immer wieder vor, dass sich ein Termin nicht anders legen lässt; oder sich mal jemand am Freitag in aller Ruhe ins Büro setzen möchte und für ein, zwei Stunden etwas für die nächste Woche vorbereitet, damit sie oder er die Arbeit im Griff hat – und nicht andersherum.
Schwaiger: Wenn jemand von Montag bis Donnerstag statt bis 17 Uhr bis 19 Uhr ranklotzt, um den Freitag freizumachen, dann ist das nicht im Sinne des Erfinders und wir müssen schauen, was wir verändern können. Denn wir wollen ja nicht den Freitag sparen, um die anderen Tage umso mehr zu malochen. Unser Ziel ist es, dass alle eine bessere Balance zwischen Arbeit einerseits und Familie und Freizeit andererseits haben. Davon profitieren wirklich alle!
Wie reagieren die Branche, ihre Partner und Dienstleister, Mitbewerber auf die Umstellung? Sehen Sie schon einen Effekt beim "War for Talents"?
Schwaiger: Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus, wenngleich das positive Feedback deutlich überwog. Unsere Partner und Dienstleister haben die Umstellung zunächst gar nicht bemerkt, weil wir freitags schon immer auf Sparflamme gefahren sind. Als wir dann damit an die Öffentlichkeit gegangen sind, war das Interesse groß. Die Bewerberzahl hat sich erhöht, wenngleich dadurch kein Run ausgelöst wurde. Das wollten wir auch nicht. Die Viertagewoche sollte nicht der Grund für eine Bewerbung sein, höchstens vielleicht ein guter Beigeschmack.
Wir dachten etwa im Vorfeld, dass Selbstdisziplin eine Herausforderung sein könnte. Doch das war erstaunlicherweise überhaupt kein Thema. Jessica Bauer
Das waren die größten Herausforderungen im Prozess? Was würden Sie anderen Unternehmen raten, die über diesen Schritt nachdenken?
Schwaiger: Ich glaube, die größte Herausforderung war zunächst einmal, das ganze Team an Bord zu holen und ein gemeinsames Mindset zu schaffen. Dabei sollte klar werden: Welche Idee verfolgen wir mit der Viertagewoche? Wofür machen wir das? Welche Sorgen stehen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht im Raum? Was können wir gemeinsam tun, um den berechtigten Sorgen entgegenzuwirken? Und was braucht jede einzelne Person, damit sie sich mit der Veränderung wohlfühlt?
Bauer: Wir dachten etwa im Vorfeld, dass Selbstdisziplin eine Herausforderung sein könnte. Doch das war erstaunlicherweise überhaupt kein Thema. Ganz im Gegenteil: Der Wunsch nach Selbstoptimierung war derart intrinsischer Natur, dass neben gemeinsamen strukturellen Optimierungen im Zeitmanagement die Mitarbeitenden nach eigenen Lösungen gesucht haben, um sich noch besser selbst zu organisieren.
Schwaiger: Meine Empfehlung ist der Modus des Testballons, den ich auf drei oder sechs Monate anlegen würde. Er hat uns alle in ein Projekt mit offenem Ausgang gesteckt. Das gesamte Team wurde dadurch mit in die Verantwortung genommen, das Projekt Viertagewoche mitzugestalten. Das war wohl unser wichtigstes Instrument für den Change-Prozess, den wir im Laufe des letzten Jahres durchlaufen haben.
Bauer: Eines darf man bei alldem nicht vergessen: Es hat sich ausgezahlt, dass wir in der Vergangenheit in Digitalisierung investiert haben. Das hilft uns extrem, die Viertagewoche umzusetzen. Viele Abläufe sind seit Jahren digitalisiert, das Dokumentenmanagement etwa, Übergabeprotokolle oder Mängelanzeigen. Das hilft enorm, die Prozesse schlank zu halten.
Können Sie sich aktuell vorstellen, dass Sie noch einmal zur Fünftagewoche zurückkehren?
Schwaiger: Nein, wirklich nicht. Das letzte Jahr war die absolute Feuertaufe für die Viertagewoche und sie hat bestanden. Sie hat sichtlich zur Zufriedenheit im Unternehmen beigetragen, hat das Engagement jedes Einzelnen gesteigert, die Qualität der Arbeit verbessert und die kollegialen Beziehungen gefestigt. Wir können wirklich sagen, dass sich die Viertagewoche bereits tief in die DNA unserer Firmenkultur eingebrannt hat. Für uns gibt es kein Zurück.
Das Interview erschien in der Fachzeitschrift "Immobilienwirtschaft", Ausgabe 02/2023
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