Zur Auslegung einer Abfindungsklausel
Zwei Geschwister stritten um ihr Erbrecht. Zu Lebzeiten waren die Eltern zu je ein halb Eigentümer eines Hausgrundstücks. Nach dem Tod des Ehemannes im Jahre 1991 wurde ein Erbschein ausgestellt, der die Ehefrau zu ein halb und die beiden Kinder zu je ein viertel als Erben auswies.
Notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag geschlossen
Die Erben schlossen nach dem Tod des Vaters einen notariellen „Erbauseinandersetzungsvertrag“. Hiernach sollte der Sohn das gesamte Grundeigentum erhalten, die Tochter im Wesentlichen das Barvermögen. Auf dem Grundeigentum sollte ein lebenslanges Wohnrecht zu Gunsten der Mutter eingetragen werden. Der Vertrag bestimmte in § 4 zu Lasten der Schwester, diese sei mit Erbringung der vereinbarten Barzahlung aus dem „elterlichen Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen ein für alle Male abgefunden“.
Amtsgericht verweigert dem Sohn die Erteilung des Erbscheins
Die Mutter starb im November 2013, ohne eine weitere letztwillige Verfügung zu errichten. Der Sohn beantragte darauf die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Das Amtsgericht lehnte ab mit der Begründung, es fehle an dem hierfür erforderlichen Erbverzicht der Schwester. Hiergegen legte der Sohn Beschwerde ein.
OLG hält Erbverzicht für gegeben
Das mit der Beschwerde befasste OLG sah in der gemäß § 4 des Erbauseinandersetzungsvertrages abgegebenen Abfindungserklärung der Tochter einen rechtsgültigen Erbverzicht. Dies folgt nach Auffassung des Senats sowohl aus der gewählten Formulierung als auch als den Begleitumständen.
Abgefunden heißt: Ich will sonst nichts
Dabei stellte der Senat zunächst auf den Wortlaut der Vereinbarung ab. Die Formulierung „ein für alle Male abgefunden“ sei zwar äußerst laienhaft, auf diese Weise wolle ein juristischer Laie nach allgemeinem Verständnis aber zum Ausdruck bringen, dass er aus dem Lebenssachverhalt und dem damit verbundenen Rechtsverhältnis, auf das sich die Erklärung bezieht, keine Forderungen mehr geltend machen will.
Erklärung mit erbrechtliche Relevanz
Im vorliegenden Fall bezieht die Erklärung sich nach Auffassung des OLG eindeutig auf die familienrechtliche Nachlasssituation. Dies mache die Formulierung „unter Lebenden und von Todes wegen“ deutlich sowie die Bezeichnung der Gesamtvereinbarung als „Erbauseinandersetzungsvertrag“. Darüber hinaus nehme die Formulierung Bezug auf das „elterliche Vermögen“, so dass damit der Nachlass sowohl nach dem Vater als auch nach der Mutter gemeint sein müsse. Daraus folgt laut OLG der mit der Erklärung zum Ausdruck gebrachte Wille zu einem endgültigen Erbverzicht.
Die Begleitumstände stützen die Verzichtserklärung
Der Senat bezog sich in seiner Auslegung ergänzend auf den mutmaßlichen wirtschaftlichen Hintergrund der notariellen Vereinbarung. Hiernach erhielt die Tochter nach dem Tod ihres Vaters einen deutlich höheren Geldbetrag als ihr zu diesem Zeitpunkt erbrechtlich zugestanden hätte. Zwar wurde dem Sohn das wertvolle Hausgrundstück vermacht, dieses jedoch belastet mit einem lebenslangen Wohnrecht zu Gunsten der Mutter. Insgesamt sei diese Vermögensverteilung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbauseinandersetzungsvertrages eine wirtschaftlich sinnvolle Regelung gewesen, die ohne den erklärten Erbverzicht der Tochter weniger plausibel gewesen wäre. Damit war der Erbverzicht nach Auffassung des OLG wirksam. Die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Erbscheins an den Sohn als Alleinerbe waren damit nach Auffassung des OLG gegeben.
(OLG Hamm, Beschluss v. 22.7.2014, 15 W 92/14).
Vgl. zum Erbrecht auch:
Nicht hinreichend bestimmte Testamente sind nichtig
Mündliche Erklärungen des Erblassers
und
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